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LAKA: Corona weitet Schere zwischen Arm und Reich

Die Corona-Krise stellt die ganze Menschheit vor ungekannte Herausforderungen. Manche Gruppen aber sind stärker belastet als andere - und die Folgen könnten langwierig sein.

Dejan Perc (l) und Argyri Paraschki (r)
Dejan Perc (l), Vorsitzenden des Landesverbands der kommunalen Migrantenvertretungen Baden-Württemberg und Argyri Paraschaki (r), Geschäftsführerin des Landesverbands der kommunalen Migrantenvertretungen Baden-Württemberg, stehen vor einem Banner der kommunalen Migrantenvertretung LAKA. Foto: Tom Weller/dpa/Archivbild
Dejan Perc (l), Vorsitzenden des Landesverbands der kommunalen Migrantenvertretungen Baden-Württemberg und Argyri Paraschaki (r), Geschäftsführerin des Landesverbands der kommunalen Migrantenvertretungen Baden-Württemberg, stehen vor einem Banner der kommunalen Migrantenvertretung LAKA. Foto: Tom Weller/dpa/Archivbild

STUTTGART. Die Corona-Krise hat die Unterschiede zwischen Arm und Reich verschärft - davon sind aus Sicht des Landesverbandes der kommunalen Migrantenvertretungen (Laka) vor allem Menschen mit ausländischen Wurzeln betroffen. »In den Berufen, die nicht leicht auf Homeoffice umstellbar sind, ist der Migrantenanteil hoch«, sagte der Vorstandsvorsitzende Dejan Perc der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. »Von Putzkräften bis zur Hochleistungsindustrie.« Wenn man selbst für die Arbeit vor Ort sein müsse, sei das auch mit Homeschooling der Kinder nicht vereinbar, machte Perc deutlich.

»Es ist was Anderes, wenn man sich im Einfamilienhaus mit Garten ins Homeoffice im Arbeitszimmer zurückziehen kann, als in einer Wohnung zu leben mit nur einem Endgerät, prekären Beschäftigungsverhältnissen und Homeschooling«, sagte Laka-Geschäftsführerin Argyri Paraschaki. Teils hätten sie in der Geschäftsstelle Schulsachen ausgedruckt, weil die Familien keinen Drucker hatten, nannte sie ein konkretes Beispiel. Die politischen Entscheider kämen aus einer anderen Schicht und könnten sich die Probleme in der Praxis schwer vorstellen.

Migranten hätten auch in anderer Weise mit den Beschränkungen zu kämpfen gehabt, sagten Perc und Paraschaki. Belastend sei etwa, dass manche ihre Familien im Ausland nun ein Jahr lang nicht besuchen könnten. Viele unterstützten ihre Angehörigen finanziell, hätten aber etwa in der Gastronomie nicht genug verdient oder ihren Job verloren.

»Je länger die Phase anhält, desto größer ist die Gefahr, dass die Spreizung zwischen Arm und Reich ausgedehnt wird«, sagte Perc. Auch mit Blick auf die Landtagswahl appellierte er an die Politik: »Die Parteien müssen zeigen, dass sie die Gesellschaft als Ganzes im Blick haben.« Daher gehöre die Debatte um Corona-Maßnahmen auch in die Parlamente. »Nur in einem Ministerium können die vielen Facetten gar nicht alle berücksichtigt werden.« Das sei auch nicht die Aufgabe etwa des Gesundheitsministeriums, sagte Perc. Zu befürchten sei, dass Corona den gesamten Wahlkampf überlagere und kaum Platz für andere Themen wie Altersarmut und Bildung sei, sagte Paraschaki.

Positiv hoben die beiden hervor, dass zu Beginn der Corona-Krise ziemlich schnell Anleitungen etwa zu den Hygieneregeln in mehreren Sprachen erstellt wurden. »Wir würden uns wünschen, dass das über Corona hinweg hält«, sagte Paraschaki. Wichtig sei dann aber auch eine leicht verständliche Sprache und kein Juristen-Deutsch - gerade weil sich die Regeln zeitweise sehr schnell änderten. Die Behörden sollten »nicht so sehr die Bürokratie-Innensicht, sondern eher die Empfängerperspektive im Blick haben«, formulierte Perc.

Viele Lehrer und Erzieher hätten sich bei der Betreuung der Kinder viel Mühe gegeben, berichteten die Laka-Vertreter. So hätten Lehrer über Videoschalten Nachhilfe gegeben oder Geschichten vorgelesen. Kita-Mitarbeiterinnen hätten Geschenke in Briefkästen geschmissen.

Sorgen bereitet dem Verband, dass Projekte und deren Finanzierung vorübergehend eingeschränkt oder gar auf Dauer gekürzt werden könnten - etwa Dolmetscherangebote, Begleitungen von Neuzugewanderten und Geflüchteten sowie Lernangebote wie Sprachkurse. »Das ist für die Integrationsarbeit verheerend«, sagte Perc. Ein Dreivierteljahr fehle nun, das könne nicht einfach nachgeholt werden. »Die Geschichte hat mehrfach bewiesen: Was ich jetzt nicht in Integrationsarbeit investiere, holt mich früher oder später wieder ein«, warnte er.

Wenn es angesichts der versprochenen Finanzhilfen unter anderem für die Wirtschaft bald um die Frage nach Einsparmöglichkeiten gehe, dürften diese nicht den Integrationsbereich treffen, mahnte Perc. »Das sind ja auch nicht gerade die allergrößten Positionen.«

Paraschaki befürchtet darüber hinaus, dass ehrenamtliche Strukturen durch die Pandemie dauerhaft Schaden nehmen könnten. So hätten viele Ehrenamtliche ihren Fokus auf ihre Lage, ihre Familie, ihren Job gelegt. Andere hätten sich zurückgezogen, weil sie zu Risikogruppen für mögliche Infektionen zählen. »Wir müssen aufpassen, dass Corona das bürgerschaftliche Engagement nicht einbrechen lässt.« (dpa)