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Kretschmann zu Corona: »Vor dem Klimawandel hab ich mehr Respekt«

Nichts beschäftigt Baden-Württembergs Ministerpräsidenten derzeit mehr als der Kampf gegen das Corona-Virus. Aber es lauere noch eine weitaus größere Gefahr auf die Menschheit, warnt Winfried Kretschmann. Eine mit »apokalyptischer Anmutung«.

Winfried Kretschmann spricht während einer Pressekonferenz
Winfried Kretschmann spricht während einer Pressekonferenz, die auf einem Laptop gestreamt wird. Foto: Sebastian Gollnow/dpa
Winfried Kretschmann spricht während einer Pressekonferenz, die auf einem Laptop gestreamt wird. Foto: Sebastian Gollnow/dpa
STUTTGART. Ministerpräsident Winfried Kretschmann wollte ursprünglich bei der Landtagswahl 2021 für eine dritte Amtszeit antreten, um sich für den Kampf gegen den Klimawandel einzusetzen. Nun hat er alle Hände voll zu tun mit einer ganz anderen globalen Krise. Im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur erklärt der Grünen-Politiker, warum die bisherigen Erfolge gegen das Coronavirus paradoxerweise gefährlich sein können, warum er mehr Respekt vor der Klimakrise hat - und wie er sich beim Online-Kartenspiel entspannt.

FRAGE: Politiker und Virologen warnen seit Wochen unermüdlich vor einem unsichtbaren Feind. Die Gefahr ist für viele Menschen hierzulande nicht greifbar. Inwieweit haben Sie Sorge, dass die Menschen deshalb unachtsam werden und ein Ermüdungseffekt eintritt?

ANTWORT: Ich habe nicht nur die Sorge, ich gehe ehrlich gesagt davon aus, dass solche Ermüdungseffekte eintreten. Das ist ja auch nur menschlich. Es liegt bei uns, davor zu warnen, unermüdlich darauf hinzuweisen, wie wichtig die disziplinierte Einhaltung der Maßnahmen ist. Denn sie wirken, das sieht man jetzt. Aber natürlich müssen wir auch Lockerungen in Aussicht stellen. Ich glaube, das Wirksamste wird sein, eine neue Normalität im Umgang miteinander und im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben hinzubekommen. Eine Normalität, in der Abstand halten und Hygienevorschriften im Mittelpunkt stehen und allen klar ist, dass manches einfach nicht geht. Große Veranstaltungen mit dicht gedrängten Menschenmassen, feuchtfröhliche Großparties wie der Cannstatter Wasen sind auf absehbare Zeit einfach nicht drin.

FRAGE: Wie entspannen Sie selbst in der Krise?

ANTWORT: Zur Entspannung bleibt leider nicht viel Zeit. Aber ich schau mir gerne mit meiner Frau mal einen alten Film an. Wenn man weiß, wie der ausgeht, entspannt das ungemein. Und ich spiele gelegentlich Binokel über das Internet mit meinen Jugendfreunden. Eigentlich treffen wir uns ja jedes Jahr in Gargellen zum Spielen. Aber online macht das auch richtig Spaß – außer, dass es ein bisschen schnell geht am Computer. Binokel ist eine hervorragende Weise, sich zu entspannen. Wenn man das ein paar Stunden spielt, geht einem die Coronakrise nicht ständig im Kopf rum.

FRAGE: Was macht Ihnen mehr Angst - die Klima-Krise oder die Corona-Krise?

ANTWORT: Ich will die beiden Krisen nicht gegeneinander aufrechnen. Jetzt verlangt uns die Coronakrise gerade alles ab und sie erschüttert Wirtschaft und Gesellschaft weltweit. Aber der Klimawandel beschäftigt mich weiterhin sehr, auch wenn er gerade nicht die Schlagzeilen beherrscht. Wenn wir den nicht gebremst kriegen, wird er die Corona-Krise in den Auswirkungen noch in den Schatten stellen. Vor dem Klimawandel hab ich weit mehr Respekt als vor der Coronakrise. Der Klimawandel kann die ganze Welt nachhaltig erschüttern und ihn können wir nicht irgendwann einfach wegimpfen. Naturkatastrophen wären die Folge, Ernteausfälle, Hunger- und Hitzetote, ungekannte Flüchtlingsströme, ganze Landstriche, die unbewohnbar werden, sei es wegen Dürre oder Überflutung. Das hat fast eine apokalyptische Anmutung. Wenn das auf uns zu kommt, dann gnade uns Gott. (dpa)