STUTTGART. Schon nach 20 Minuten war's auch schon wieder vorbei. »Nichts geht mehr«, hieß es am Dienstag bei den Anmeldungen für die heiß begehrten ersten Termine im Heilbronner Kreisimpfzentrum. Kein Impfstoff, keine Termine. »Wir würden gerne sehr viel mehr Termine anbieten«, bedauerte Bürgermeisterin Agnes Christner (parteilos). »Die Menschen wollen sich impfen lassen.« Es werde aber anders als ursprünglich angekündigt nur sehr wenig Impfstoff geliefert.
Das Impfzentrum in der Stauwehrhalle im Stadtteil Horkheim ist wie die anderen fast 50 in Baden-Württemberg seit Tagen startklar. Am Freitag geht es los und täglich könnten allein in Heilbronn bis zu 800 Menschen geimpft werden. Aber nicht zuletzt auch wegen der Verzögerungen bei den Impfstoff-Lieferungen des Pharmakonzerns Pfizer werden es nun nur 152. Und das an einem ganzen Wochenende.
Das Gesundheitsministerium bremste am Dienstag jede Euphorie: »Klar ist: Es wird sehr, sehr wenig Termine geben. Und viele Menschen werden keinen bekommen«, sagte ein Sprecher in Stuttgart. »Das muss man in aller Deutlichkeit so sagen und wir müssen weiterhin um Geduld bitten.« Grund seien weniger die fehlende Kapazität oder das Personal, als der nicht vorhandene Impfstoff.
Pfizer hatte wegen der Erweiterung seiner Kapazitäten im zentralen Werk in Belgien angekündigt, die Lieferungen des Corona-Impfstoffs reduzieren zu müssen. Nach Angaben des Ministerium sollte am Dienstag die mit den Herstellern Pfizer und Biontech vereinbarte Menge noch geliefert werden. Es handelt sich um eine größere Menge von 111 115 Dosen in 19 Boxen - bezogen auf die nun zugelassene Entnahme von sechs statt fünf Dosen aus einer Ampulle. In der Woche vom 25. Januar werden es aber nur noch 64 360 Impfdosen, wie aus einem Lieferplan von Biontech hervorgeht, der der Gesundheitsministerkonferenz der Länder vorgestellt wurde. In den ersten beiden Februarwochen erwartet das Land weitere insgesamt rund 193 000 Dosen.
Dem Betrieb der Kreisimpfzentren stehe dennoch nichts im Wege, sagte Sprecher Markus Jox der dpa. Bis Ende Januar könne dort auch bei Lieferverzögerungen geimpft werden, allerdings weniger als geplant. Unterm Strich stehen zunächst in jedem KIZ nur 585 Impfdosen pro Woche für eine Erstimpfung zur Verfügung. »Und die werden auch noch einmal auf Impfungen im Zentrum selbst sowie auf Impfungen durch die Mobilen Impf-Teams in den Pflegeheimen verteilt«, sagte Jox.
Allein die Personengruppe der Über-80-Jährigen und des medizinischen Personals, die derzeit impfberechtigt sind, addierten sich aber auf rund eine Million Menschen. »Und derzeit können wir täglich in Baden-Württemberg nur rund 7000 Menschen impfen«, sagte Jox. Werde nicht mehr Impfstoff geliefert, koste es fast fünf Monate, bis auch der letzte Anspruchsberechtigte einen Termin habe.
Der Impfstoff bleibe weiterhin ein knappes Gut, sagte der Ministeriumssprecher. »Das ist schade, weil unsere Infrastruktur eigentlich mehr zulässt. Wir können diese Lieferungen aber als Land nicht beeinflussen«, verteidigt er die Strategie des Ministeriums.
Denn die geriet auch am Dienstag von der Opposition schwer unter Beschuss: SPD-Fraktions- und Parteichef Andreas Stoch warf Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) vor, den Schwarzen Peter den Impfzentren zuzuschieben. Dort beschwerten sich die Menschen, weil noch nicht genügend Impfstoff zur Verfügung stehe. »Und insbesondere die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf den Corona-Intensivstationen konkurrieren in diesen Tagen mit den 800 000 noch nicht Geimpften aus der ersten Gruppe um eine Impfung«, sagte Stoch abschließend.
Lucha müsse sinnvoll priorisieren. Andere Bundesländer konzentrierten die Impfungen derzeit noch auf die Bewohner und das Personal in Pflegeheimen. Dort sei das Sterberisiko mit Abstand am größten. Wichtig seien auch die Beschäftigten im medizinischen Bereich, die tagtäglich in sehr engem Kontakt zu Corona-Kranken stünden.
Das fordert auch der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Jochen Haußmann. »Es ist ein Unding, diejenigen, die an vorderster Front stehen, auf allgemeine Verfahren mit langen Wegen zu verweisen« sagte er. Das medizinische Personal müsse vor Ort in der Klinik geimpft werden können.
Die Gewerkschaft Verdi verlangt, Beschäftigte auf den betroffenen Stationen mit oberster Priorität zu impfen und den Krankenhäusern dafür die erforderlichen Impfdosen zur Verfügung zu stellen. »Die allermeisten warten sehnsüchtig auf ihren Impftermin. In vielen Kliniken im Land gibt es nur Wartelisten und keine Termine«, sagte Verdi-Gesundheitsexpertin Irene Gölz. »Und dass sie begleitend zu ihrer hochriskanten täglichen Arbeit nun auch noch pauschal als Impfmuffel dargestellt werden, stößt vielen bitter auf.«
Auf Kreisebene sollte eigentlich bereits ab dem 15. Januar 2021 geimpft werden. Ursprünglich waren nach den Berechnungen des Ministeriums für die KIZ täglich etwa 800 Impfungen geplant, in den neun Zentralen Impfzentren (ZIZ) und am Standort Mannheim jeweils weitere rund 1500 Menschen pro Tag. Später im Jahr soll die Impfung auch beim Hausarzt möglich sein. (dpa)