STUTTGART. Nach dem Neustart für viele Gastwirte und Hoteliers und angesichts weiterer Corona-Lockerungen in anderen Regionen streiten sich Gastronomie und Politik in Baden-Württemberg über die richtige Öffnungstrategie. Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) wehrte sich am Montag gegen den Vorwurf eines »Regelwirrwarrs«. Wirte und Hoteliers hatten ein »Landkreise-Hopping« befürchtet, weil es vor allem in der Vierländerregion rund um den Bodensee unterschiedliche Inzidenzen und somit auch abweichende Regelungen gibt. Lucha machte am Montag aber wenig Hoffnung auf Regeländerungen: »Wir müssen und wir werden daran festhalten.«
Grundsätzlich sei die Stimmung in der Branche positiv, sagte ein Sprecher des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) Baden-Württenberg am Montag nach den ersten Wiedereröffnungen. »Nach allem, was wir zurückgespielt bekommen, sind unsere Mitglieder zufrieden in den Regionen, die bereits lockern durften.«
Vor allem die Bindung an eine Sieben-Tage-Inzidenz von unter 100 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner sorgt allerdings für Ärger am Bodensee und im Allgäu. Während Tourismus und Gastronomie dort noch nicht öffnen dürfen, sind Tagesausflüge nach Österreich und in die Schweiz wieder möglich. Mit einem negativen Corona-Test können sich zudem Urlaubsrückkehrer aus den beiden Ländern bei der Einreise von der Quarantänepflicht befreien. Auch im Breisgau-Hochschwarzwald, im Landkreis Konstanz und in der Stadt Freiburg sowie in Emmendingen haben die ersten Kneipen und Pensionen geöffnet.
»Der Gast geht da hin, wo er hingehen darf«, sagte der Dehoga-Vorsitzende im Bodenseekreis, Horst Müller. »Wenn's blöd läuft, gibt das ein totales Chaos. Dann hat man genau das, was man nicht wollte: viele Menschen am gleichen Ort.« Schon innerhalb von Baden-Württemberg sei wegen unterschiedlicher Inzidenzen ein »Landkreis-Hopping« zu befürchten. Die unterschiedlichen Regeln führten zu einem großen Durcheinander. »Die Gäste brauchen eigentlich Gewissheit, dass ihr Urlaub auch stattfindet«, sagte Müller.
»Wenn wir hier Ausnahmen zulassen, verschwimmen die Grenzen und es werden Ungerechtigkeiten gegenüber anderen Landkreisen produziert«, verteidigte sich Lucha. »In diesem Fall könnte man zurecht von einem ,Regelwirrwarr‘ sprechen.« Die Gerichte hätten dem Land bereits bei den Ausgangssperren eine »kreisscharfe Betrachtung« auferlegt. »Davon können wir jetzt bei den Öffnungsschritten nicht abweichen.« Lucha machte zudem keinen Hehl aus seiner Haltung: »Mein Appell ist jetzt: Nicht meckern, sondern machen!«
Seit dem vergangenen Samstag dürfen Gastronomie und Hotellerie in Land- und Stadtkreisen mit einer Inzidenz unter 100 an fünf Werktagen nacheinander unter Auflagen wieder öffnen. Die Betriebe dürfen nur geimpfte, genesene oder getestete Gäste empfangen. Viele Betriebe öffneten erst Mitte oder Ende dieser Woche, weil sie zunächst Waren besorgen und Mitarbeiter aus der Auszeit- oder Kurzarbeit zurückholen müssen.
Unabhängig vom nasskalten Wetter am Samstag war der Neustart für die Gastronomen nach Einschätzung des Hotel- und Gaststättenverbandes Schwarzwald-Bodensee zunächst teils holprig. Wo in der Pandemie reserviert werden musste, sei es zwar perfekt gelaufen, da hätten manche Gäste sogar Bescheinigungen über Tests und Impfungen als Foto vorab geschickt, sagte der regionale Dehoga-Geschäftsführer Alexander Hangleiter der »Badischen Zeitung« (Montag). »Schwieriger war es bei Spontanbesuchen in Restaurants, vor allem in Innenstädten. Da waren Gäste oft nicht über die Negativ-Testpflicht im Bilde.« Deshalb seien viele Plätze frei geblieben. (dpa)