KONSTANZ. Schweizer Einkaufstouristen bringen normalerweise Schwung in den Handel im Süden des Landes - doch seit Mitte März ist wegen der Corona-Krise Schluss damit. Menschen aus Nicht-EU-Ländern können wegen der weitgehenden Grenzschließungen nicht mehr einfach so in Baden-Württemberg shoppen gehen. Um die Grenze zu passieren, braucht es einen triftigen Grund. Die Umsätze vieler Händler sanken dadurch dramatisch.
Im Lebensmitteleinzelhandel seien Umsatzrückgänge zwischen 30 und 60 Prozent festgestellt worden, sagte der Hauptgeschäftsführer der IHK Hochrhein-Bodensee, Claudius Marx. »Viele Händler fürchten um ihre Existenz, sollten die Grenzen zur Schweiz nicht bald wieder vollständig geöffnet werden.« Das Gleiche gelte für Gastronomie, Hotellerie und zahlreiche Dienstleistungen, deren Geschäftsmodell den unmittelbaren Kontakt zum Kunden voraussetze.
Im vergangenen Jahr hätten Kunden aus der Schweiz in den Landkreisen Lörrach, Waldshut und Konstanz für rund 1,5 Milliarden Euro eingekauft, sagte Marx. »Wie hoch sich der Schaden am Ende der Corona-Pandemie aufsummieren, und ob und wie viele Insolvenzen es auf dem Weg dahin geben wird, ist im Moment schwer absehbar.«
Eine Umfrage des Handelsverbands Baden-Württemberg ergab kürzlich, dass 23 Prozent aller Händler im Land einen Rückgang bis zu 80 Prozent verzeichneten, wie der stellvertretende Hauptgeschäftsführer Utz Geiselhart sagte. Besonders betroffen seien Grenzstädte wie Konstanz, Waldshut oder Rheinfelden. »Wenn ein Standbein, auf dem ich stehe, plötzlich nicht mehr da ist, tut das weh.« Zudem sei die Region Tourismusgebiet. »Und auch der war nicht existent.«
Die Händler setzten nun auf eine hohe Nachfrage, wenn die Grenze zur Schweiz vom 15. Juni an wieder geöffnet sei und auch Einkaufstouristen wieder nach Deutschland kommen können.
Für die Mitarbeiter des Zolls waren die vergangenen Wochen dagegen eine Entlastung, denn viele Service-Schalter waren geschlossen. Dort werden die Formulare bearbeitet, mit denen sich Einkaufstouristen aus Nicht-EU-Ländern die Mehrwertsteuer zurückerstatten lassen können. Die Zoll-Mitarbeiter hätten in der Zeit den gewerblichen Warenverkehr unterstützt, sagte ein Sprecher der Generalzolldirektion in Bonn.
Seit dem 2. Juni sind die Service-Schalter der Hauptzollämter Singen und Lörrach zwar wieder geöffnet. Doch bislang können beispielsweise nur Berufspendler oder Menschen mit triftigem Einreisegrund ihre sogenannten Ausfuhrkassenzettel stempeln lassen.
Die Gewerkschaft Verdi befürchtet, dass vom 15. Juni an auch die Zahl der Ausfuhrkassenzettel wieder deutlich zunimmt. »Wir halten dies für unverantwortlich und gesundheitsgefährdend für Beschäftigte der Zollverwaltung und auch für die Bürgerinnen und Bürger«, teilte der Bezirk Südbaden Schwarzwald kürzlich mit. Wenn es stimme, dass nur Abstandsregeln die Ausbreitung des Virus und eine zweite Welle von Infektionen verhindern könnten, dürfe man an der Grenze keine Verhältnisse wie vor dem Virus schaffen.
2019 wurden allein im Bereich des Hauptzollamtes Singen knapp zehn Millionen Ausfuhrkassenzettel abgefertigt. Zwar sind die Zahlen seit einiger Zeit rückläufig. Sie entsprechen aber noch immer rund 33 000 Zetteln pro Werktag. Um die Zollbeamten zu entlasten, soll eigentlich eine App für die Rückerstattung entwickelt werden - aber wann diese technische Lösung einsatzbereit ist, lässt sich nach Angaben des Zolls derzeit noch nicht absehen. (dpa)