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Experten rechnen vor: Land droht Klimaziele zu verfehlen

Bis 2040 will Baden-Württemberg klimaneutral sein. Experten haben einen Zwischenstand errechnet - und der sieht nicht gerade gut aus. Sorgen bereiten vor allem zwei Sektoren.

Installation eines Photovoltaik-Dachs
Schafft das Land seine Klimaziele? Experten haben dazu nun eine Prognose vorgelegt. (Symbolbild) Foto: Bernd Weißbrod/DPA
Schafft das Land seine Klimaziele? Experten haben dazu nun eine Prognose vorgelegt. (Symbolbild)
Foto: Bernd Weißbrod/DPA

Baden-Württemberg droht seine Klimaziele zu verfehlen. Das geht aus einer Prognose von Wissenschaftlern hervor, die in Stuttgart vorgestellt wurde. Die Experten hatten für das Land in einem sogenannten Klimaprojektionsbericht berechnet, inwieweit Baden-Württemberg auf dem richtigen Kurs ist, seine Klimaziele zu erreichen.

Das Land hat sich zum Ziel gesetzt, seinen Treibhausgasausstoß bis 2030 um 65 Prozent im Vergleich zu 1990 zu reduzieren und bis 2040 klimaneutral zu werden – fünf Jahre früher, als es der Bund für Deutschland beschlossen hat. Es dürfen dann nur noch so viele Treibhausgase ausgestoßen werden, wie wieder gebunden werden können.

Dem Bericht zufolge wird das Zwischenziel bis 2030 nicht erreicht. Bis dahin schafft das Land nur eine Reduzierung der CO2-Emissionen um 53 Prozent. Das Ziel der Klimaneutralität bis 2040 ist ebenfalls weit entfernt. Der Prognose zufolge stößt das Land dann noch immer 21 Millionen Tonnen CO2 aus. Um die Ziele noch erreichen zu können, seien weitere Maßnahmen erforderlich, heißt es in dem Bericht.

Sorgenkinder: Verkehr und Landwirtschaft

Besonders weit weg von ihren Zielen sind vor allem zwei Sektoren: der Verkehr und die Landwirtschaft. Im Verkehrsbereich gehen die CO2-Emissionen seit Jahren quasi gar nicht mehr zurück, im vergangenen Jahr erfasste das Statistische Landesamt sogar eine leichte Zunahme des CO2-Ausstoßes im Vergleich zum Vorjahr. Das Klimaziel für 2030 verfehlt der Sektor den Prognosen der Wissenschaftler zufolge sehr deutlich. Demnach gehen die Emissionen im Verkehrsbereich bis dahin um 32 Prozent zurück. Anvisiert war eine Senkung um 55 Prozent.

Und auch die Klimaneutralität im Jahr 2040 verfehlt der Verkehr deutlich. Rund 6,7 Millionen Tonnen CO2-Ausstoß im Jahr 2040 haben die Wissenschaftler errechnet. Als Grund dafür nennt der Bericht den schleppenden Hochlauf der Elektromobilität und den hohen Sanierungsbedarf des Schienennetzes - das einen Umstieg auf die Bahn erschwert.

Auch in der Landwirtschaft werden die Klimaziele wohl deutlich verfehlt. In dem Bereich war bis 2030 ein Rückgang der Emissionen um 39 Prozent vorgesehen, erreicht werden dem Bericht zufolge aber nur knapp 30 Prozent. Noch schlechter sieht es mit dem Ziel für 2040 aus. Dann sollte der Sektor eigentlich klimaneutral sein, stößt aber laut Experten noch immer gut 4 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr aus. Aus Sicht der Experten wirken in dem Bereich Maßnahmen nur wenig, zudem fehlten im Bereich der Tierhaltung konkrete Maßnahmen.

Ziele im Energiebereich in greifbarer Nähe

Im Energiebereich werden die Ziele ebenfalls nicht erreicht. Allerdings haben die Experten in dem Bereich bereits angekündigte, aber noch nicht festgeschriebene Maßnahmen nicht eingerechnet. So hatte die EnBW vergangenes Jahr angekündigt, schon 2028 aus der Kohle aussteigen zu wollen. Würden die Kohlekraftwerke im Südwesten noch vor 2030 abgeschaltet, sei das Sektorziel im Energiebereich in greifbarer Nähe, so die Experten.

Das sei eine positive Botschaft, sagte Umweltministerin Thekla Walker (Grüne). »Auch wenn wir die Ziele noch nicht erreichen: Wir können sie erreichen.« Die Prognose zeige aber auch: Die geplanten Maßnahmen müssten auch umgesetzt werden.

Besser sieht es dagegen im Gebäudebereich aus. Dort werden die Ziele bis 2030 der Prognose zufolge erreicht. Bei der Abfallentsorgung werden sie sogar übertroffen.

Landtag Baden-Württemberg
Hält die Klimaziele noch für erreichbar: Umweltministerin Thekla Walker (Grüne). (Archivbild) Foto: Marijan Murat/DPA
Hält die Klimaziele noch für erreichbar: Umweltministerin Thekla Walker (Grüne). (Archivbild)
Foto: Marijan Murat/DPA

Umweltschützer: »Wir brauchen sofort mehr Mut«

Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) forderte eine konsequente Umsetzung der Klimapolitik im Südwesten. »Wir brauchen sofort mehr Mut: weniger Autoverkehr, Wechsel vom Verbrenner zum Elektroauto und massive Investitionen in Bahn, Bus und Fahrrad«, sagte die Landesvorsitzende Sylvia Pilarsky-Grosch. In der Landwirtschaft seien die Wiedervernässung von Mooren sowie stärkere Anreize für ökologische Landwirtschaft wichtige Instrumente.

Opposition forderte anderen Kurs

Die FDP im Landtag sprach sich erneut für eine Abschaffung der Sektorenziele aus. »Die Sektorenziele der Landesregierung scheitern aktuell an der Wirklichkeit und wären nur durch sofortige und überzogene Eingriffe in den Sektoren Landwirtschaft und Verkehr erreichbar«, sagte der klimapolitische Sprecher Daniel Karrais. Man dürfe die Rechnung aber nicht ohne die Menschen machen, die trotzdem zur Arbeit kommen müssten. »Wer mit dem Auto fährt, macht das meist, weil es keine zeitlich attraktive Alternative gibt«, so Karrais.

Der umweltpolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Uwe Hellstern, nannte die Klimaziele des Landes »völlig unrealistisch«. Sie seien zudem »absolut desaströs« für die heimische Wirtschaft. Das Klimaschutzgesetz müsse deswegen abgeschafft werden. 

Projektionsbericht

© dpa-infocom, dpa:240712-930-171453/3