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Entlassung aus Klinik steht an: Patienten oft aufgeschmissen

Entlassungen aus dem Krankenhaus laufen nicht für jeden unbeschwert ab. Manche Patienten kommen etwa nach Hause, ohne dass ihre Versorgung dort gesichert ist. Nicht selten geht es zurück in die Klinik.

Krankenhaus
Die Spinde der Mitarbeiter in einem Krankenhaus sind mit Vorhängeschlössern verschlossen. Foto: Friso Gentsch/DPA
Die Spinde der Mitarbeiter in einem Krankenhaus sind mit Vorhängeschlössern verschlossen.
Foto: Friso Gentsch/DPA

Die Organisation von Entlassungen aus Krankenhäusern funktionieren oft nicht im Sinne der Patienten: Sie kommen teils nach Hause, ohne dass ihre Betreuung dort sichergestellt ist, ohne dass der Hausarzt informiert wurde oder ein Entlassgespräch stattfand. Oder die Patienten müssen mangels häuslicher Betreuung länger im Krankenhaus bleiben als nötig. Der Fehler liege im System, sagen viele Beteiligte und auch Experten. Am Ende bleibt der Patient oft auf der Strecke.

Statt Entlassung länger im Krankenhaus

»Uns sind Fälle bekannt, in denen Patientinnen und Patienten wochen- oder sogar monatelang in den Krankenhäusern bleiben, weil keine Anschlussversorgung für sie gefunden werden kann«, sagte Matthias Einwag, Hauptgeschäftsführer der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG). Zahlen dazu gibt es nicht. »Fakt ist, das klinische Entlassmanagement funktioniert oft mehr schlecht als recht«, berichtet auch Eugen Brysch von der Stiftung Patientenschutz. Vor allem für schwerstpflegebedürftige Menschen finde sich viel zu häufig keine zeitnahe Lösung. Pflegeanbieter scheuten den hohen Versorgungsaufwand, monierte Brysch, und forderte eine gesetzlich verankerte Quote für die Aufnahme von Menschen mit Pflegegrad 4 und 5.

Ambulante Versorgung bricht weg

Auch der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) sieht die Lage kritisch: »Wir erleben vermehrt den Umstand, dass Krankenhäuser Patientinnen und Patienten nicht entlassen können, weil die ambulanten und stationären Versorgungsstrukturen in der Pflege am Limit sind beziehungsweise vielerorts wegbrechen und kein Heimplatz oder keine ambulante Versorgung zu finden ist«, sagte ein Sprecher. Es sei wichtig, endlich wirksame politische Maßnahmen gegen das Wegbrechen der pflegerischen Versorgungsstrukturen zu ergreifen und die vorhandenen Angebote zu stärken.

Kritik aber auch an Krankenhäusern

Es gibt aber auch Beschwerden in die umgekehrte Richtung: Dass nämlich Krankenhäuser Menschen entlassen, ohne dass Angehörige Bescheid wissen, ohne dass Hausärzte mit ins Boot genommen werden und ohne dass Pflegedienste über die überraschende Heimkehr von Menschen informiert werden, die sie zuvor im häuslichen Umfeld betreut hatten. »Es gibt bezüglich des Entlassmanagements noch riesige Defizite«, sagte etwa Armin Schulz, der einen Pflegedienst in Bretten (Kreis Karlsruhe) leitet. »Da heißt es morgens noch, der Patient bleibt noch mindestens zwei Wochen, und abends dann kann er abgeholt werden.« Es gebe kaum standardisierte Abläufe in den Krankenhäusern. »Ziemlich jede Klinik hat eine andere Routine, oder eben gar keine«, sagt er. An dem Thema beiße man sich seit 25 Jahren die Zähne aus.

Hausärzte sehen Probleme

Die Hausärztinnen und Hausärzte, die ja eigentlich erste Anlaufstelle für ihre Patienten nach der Entlassung sind, beklagen die Zustände und fordern mehr Steuerung und Koordination. Die Menschen würden immer älter und Angehörige seien als Ansprechpartner oft nicht vor Ort nach einem Krankenhausaufenthalt. Umso wichtiger sei es, dass die weiterbehandelnden Kollegen rechtzeitig und umfassend informiert würden, wenn die Entlassung ansteht, betont eine Sprecherin des Hausärzteverbandes Baden-Württemberg. »Der Kommunikationsbruch zwischen stationär zu ambulant muss endlich behoben werden.«

Krankenhäuser zum »Entlassmanagement« verpflichtet

Eigentlich sind Krankenhäuser zum sogenannten Entlassmanagement verpflichtet und haben gemeinsam mit den Kranken- und Pflegekassen die Aufgabe, rechtzeitig vor der Entlassung die erforderliche Versorgung zu organisieren, erläutert die BWKG. »Die Krankenhäuser nehmen ihre Aufgaben im Entlassmanagement sehr ernst«, betont Hauptgeschäftsführer Einwag. Auch aus Sicht des Dachverbandes, der Deutschen Krankenhausgesellschaft, funktioniert das Entlassmanagement im Großen und Ganzen gut. Die Stiftung Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) ist da anderer Ansicht. Es hapere bei der Umsetzung; das Problem werde oft an die Patienten weitergereicht.

Eine Studie der Universität Siegen und des Mannheimer Zentrums für europäische Sozialforschung stellte Deutschland hingegen im Vergleich mit Schweden, den Niederlanden und der Schweiz ein schlechtes Zeugnis aus. »Zusammengefasst, fehlt in Deutschland eine klare Zuständigkeit, eine Anlaufstelle, über die die Pflege koordiniert wird und die auch dafür verantwortlich ist, dass sie auch sichergestellt wird«, sagt dazu der Leiter der Studie, Professor Claus Wendt von der Uni Siegen. Es fehle an funktionierenden Strukturen und qualifiziertem Personal. Weitere Baustellen seien etwa die rückschrittliche Digitalisierung im Gesundheitssystem.

Pflegedienste oft vor vollendete Tatsachen gestellt

Die Mitarbeitenden des Pflegedienstes Schulz können jedenfalls ein Lied davon singen, wenn Patienten an Wochenenden oder kurzerhand abends noch entlassen werden, wenn die notwendigen Medikamente dann nicht mehr rechtzeitig beschafft werden oder Hals über Kopf Pflegeeinsätze für Patienten organisiert werden müssen - die eigentlich noch im Krankernhaus hätten bleiben sollen. Schulz spricht vom Drehtür-Effekt: Wenn die Entlassung nicht reibungslos ablaufe, müssten Patienten mangels ordentlicher Versorgung nicht selten wieder zurück ins Krankenhaus. »Wenn Entlassungen richtig geplant wären, würde das alles nicht passieren.«

Infos des Bundesgesundheitsministeriums zum Thema Entlassmanagement

Pressemitteilung der Uni Siegen zur Studie

© dpa-infocom, dpa:240625-99-519237/4