»In der Regel wissen die Leute es bereits«, sagt Jasmin Schneider, die beim Gesundheitsamt des Kreises Esslingen das Kontaktpersonenmanagement koordiniert. Meistens informiere der positiv Infizierte die Kontaktpersonen selbst. Der erste Schock sei dann schon verdaut, wenn das Team mit »Kontaktpersonen der Kategorie 1« telefoniert. Also mit Menschen, die über eine Zeit von 15 Minuten weniger als zwei Meter vom Infizierten entfernt waren.
Schneider erzählt, die Kontaktpersonen hätten zwar viele Fragen, seien aber nicht verängstigt, wenn sie das Gesundheitsamt am Telefon hätten. Die Leiterin des Amtes, Dominique Scheuermann, ergänzt: »Die absolute Mehrheit ist sehr freundlich, sehr interessiert und ergibt sich ihrem Schicksal.« Wie für den Infizierten selbst stehen für die Kontaktpersonen zwei Wochen Quarantäne an.
Die Bereitschaft, wahrheitsgemäß zu antworten und mit dem Gesundheitsamt zu kooperieren, ist trotzdem groß. »Ich habe eher den Eindruck: Es werden lieber zu viele Personen angegeben«, sagt Schneider. »Einfach weil die Angst bei dem Infizierten da ist, dass man doch jemanden vergessen hat, der potenziell das Virus noch übertragen kann.« Scheuermann sagt, Einzelfälle, die um eine Quarantäne herumkommen wollen, gebe es aber bestimmt.
»Das Problem ist natürlich: Wir müssen ja auf die Aussagen vertrauen, die wir bekommen«, sagt Schneider. Das Team leistet zwar eine Art von Detektivarbeit, indem sie den positiv Getesteten auf die Sprünge helfen und miteinander darüber nachdenken, wo sie noch engen Kontakt zu anderen gehabt haben könnten. Gerade am Anfang der Pandemie, als es noch keine Kontaktbeschränkungen gab, sei das für Infizierte oft schwierig gewesen, erzählt Scheuermann.
War der Infizierte aber an Orten mit vielen Unbekannten – zum Beispiel im Supermarkt – wird keinen möglichen Kontaktpersonen hinterher recherchiert. Das sei erstens nicht möglich, sagt Schneider. Zweitens sei es unwahrscheinlich, dass es einen Kontakt mit weniger als zwei Metern Abstand über 15 Minuten hinweg gab. Ein positiv Getesteter habe angegeben, er habe in einer Disco mit einer »Marie« getanzt, erzählt Scheuermann. Die Frau über Freunde des Infizierten zu identifizieren, sei erfolglos geblieben. »Die konnten wir dann eben nicht finden. Das geht einfach nicht«, sagt sie.
In solchen Fällen könnte eine Corona-Warn-App helfen, die Nutzern mitteilt, wenn sie Kontakt zu einem Infizierten hatten. So eine App könne sicher unterstützen, findet Scheuermann. Sie finde aber den persönlichen Kontakt mit Menschen wichtig, die man 14 Tage in Quarantäne schicke. »Ich habe den Eindruck, durch das persönliche Gespräch mit dem Gesundheitsamt fühlen sich die Leute gut aufgehoben.«
Die bisher heißeste Phase für das Team war Mitte April: 50 bis 70 Meldungen pro Tag mit im Schnitt 10 bis 20 Kontaktpersonen gab es damals, erzählt Scheuermann. 14-, 16- und 18-Stunden-Arbeitstage seien für sie in der Zeit die Regel gewesen. »Wir sind so zusammengewachsen im Team«, sagt Scheuermann. »Wie wir alle stundenlang, tagelang, am Wochenende, abends und nachts hier saßen und versucht haben, die Lage zu meistern: Das ist etwas, was mich unheimlich berührt hat in der Zeit.«
In dieser Zeit wurde das Team von rund 40 Mitarbeitern aus dem Landratsamt unterstützt. Außerdem wurden drei Ärztinnen sowie drei Helfer vom Robert Koch-Institut eingestellt. Die zusätzlichen Kräfte sind Teil eines Programms des Landes, bei dem die Kontakt-Nachverfolgungsteams vergrößert werden. Anfang März gab es bei den 38 Gesundheitsämtern im Land 461 Vollzeitstellen für diese Aufgabe. Stand 25. Mai ist man bei 2681 Stellen und rund 3000 Kräften angekommen, wie das Sozialministerium mitteilt.
Die neuen Stellen sind meist befristet. Amtsleiterin Scheuermann hofft, ihre neuen Kräfte auch über die Befristung hinaus behalten zu können. »Wir haben einfach sehr viel Personal abgebaut in den letzten Jahren. Und das hat man jetzt gesehen, dass das dann doch schwierig ist.« Mittlerweile sind die Teams wieder reduziert, die Helfer aus dem Landratsamt wurden vorerst abgezogen. Denn wegen der Corona-Beschränkungen kommen Infizierte nun mit weniger Personen in Kontakt, um die sich das Nachverfolgungsteam kümmern muss. »Wir können das aber auch ganz schnell wieder hochfahren, falls die Zahlen wieder steigen würden«, sagt Scheuermann. (dpa)