STUTTGART. Angesichts hoher Infektionszahlen im Südwesten will die grün-schwarze Landesregierung auch in den nächsten Wochen - wenn möglich - mit Corona-Auflagen gegensteuern. Wie alle anderen Bundesländer auch nutzt Baden-Württemberg zunächst die Übergangsregel im neuen Infektionsschutzgesetz, um die allgemeine Maskenpflicht und Zugangsbeschränkungen bis zum 2. April aufrechterhalten zu können. Wie die Deutsche Presse-Agentur am Freitag aus Regierungskreisen in Stuttgart erfuhr, erwägt die Koalition, danach das ganze Land zum »Hotspot« zu erklären, um bis Ende April an diesen Schutzmaßnahmen festhalten zu können. Doch wie in anderen Ländern gibt es rechtliche Bedenken, ob das Bundesgesetz eine solche Regelung hergibt.
Von diesem Samstag an - und damit einen Tag eher als bundesweit vorgesehen - fallen auch im Südwesten die monatelang geltenden Kontaktbeschränkungen und auch Kapazitätsgrenzen für Veranstaltungen komplett weg. Bundestag und Bundesrat beschlossen am Freitag das neue Infektionsschutzgesetz als Grundlage dafür. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) erneuerte seine harte Kritik an der Ampel. »Das Virus breitet sich aus wie ein Flächenbrand. Aber statt mit schwerem Gerät und Löschflugzeugen sollen wir das Feuer jetzt mit Wassereimern und Gartenschläuchen bekämpfen«, hieß es in einer Erklärung, die Kretschmann im Bundesrat zu Protokoll geben ließ.
Drei Millionen Menschen ungeimpft
Der Grüne verwies darauf, dass in Deutschland noch immer drei Millionen Menschen über 60 Jahren ohne Impfschutz seien. Er griff in seiner Erklärung vor allem Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) an. »Es ist schon abenteuerlich, wenn der Bundesgesundheitsminister zuerst ein Gesetz auf den Weg bringt, das keine ausreichenden Schutzmaßnahmen vorsieht, dann aber die Länder aufruft, die Übergangsregel zu nutzen.«
FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke sagte dagegen, es wundere ihn nicht, dass Kretschmann die neuen Regeln nicht gefallen. »Sie entziehen der Regierung den allumfassenden Instrumentenkasten, mit dem sie die Bevölkerung weiter in ihren Grundrechten einschränken kann.« Es sei gut, »dass der Bund Ministerpräsident Kretschmanns Corona-Aktionismus Grenzen setzt«. Der Ministerpräsident habe in seiner Pandemie-Politik viel zu oft danebengegriffen und vor Gerichten immer wieder Schiffbruch erlitten.
Aus Rülkes Sicht haben die Länder ausreichend Mittel zur Hand, bei steigenden Fallzahlen durch neue Varianten oder bei drohender Überlastung des Gesundheitssystems mit entsprechenden Einschränkungen zu reagieren. »Wir sind absolut dafür, die vulnerablen Gruppen zu schützen und einer Überlastung des Gesundheitssystems entgegenzuwirken. Doch jetzt ist es Zeit, den Menschen wieder mehr Eigenverantwortung zu übertragen«, sagte der FDP-Politiker.
Länder können Auflagen beschließen
In der Tat können die Länder auch nach der Übergangsfrist in eigener Verantwortung weitergehende Corona-Auflagen für jeweils auszurufende »Hotspots« beschließen. Doch wie andere Regierungschefs auch hält Kretschmann diese Möglichkeit im Gesetz - auch wegen unbestimmter Formulierungen - für unpraktikabel und rechtlich schwierig. Kretschmann hielt der Ampel vor, die Gesetzesgrundlage sei »schlecht gemacht, so dass Verunsicherung, Streit und Klagen vorprogrammiert sind«. Allerdings wollen auch andere Länder wie etwa Bayern und Rheinland-Pfalz die »Hotspot«-Regelung nutzen.
Indes wurde bekannt, dass auch Landesgesundheitsminister Manne Lucha sich mit dem Coronavirus infiziert hat. Der Grüne sei am Donnerstag bei einem PCR-Test positiv auf das Virus getestet worden und habe sich sofort in häusliche Isolation begeben, sagte ein Sprecher. »Der Minister hat typische Krankheitssymptome und wird bis auf Weiteres keine politischen Termine wahrnehmen.« Zuvor hatten sich unter anderem Kretschmann und Innenminister Thomas Strobl infiziert. (dpa)