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2023 sind mehr Flüchtlinge in ihre Heimat zurückgekehrt

Nicht alle Flüchtlinge, die mit ihrem Asylantrag in Deutschland scheitern, werden abgeschoben. Hunderte von ihnen kehren mehr oder weniger freiwillig zurück.

Im vergangenen Jahr sind nach Ministeriumsangaben mehr Menschen freiwillig aus Baden-Württemberg in ihre Heimatländer zurückgekehrt als dies noch im Jahr zuvor der Fall gewesen ist. Nach Angaben des Landesjustizministeriums konnten im Jahr 2023 rund 2330 Menschen zur Rückkehr bewegt werden. Im Jahr 2022 lag die Zahl der freiwilligen Ausreisen bei rund 1850.

Auch die Zahl der Abschiebungen hat sich erhöht. Laut Justizministerium wurden im Jahr 2023 rund 2100 Menschen abgeschoben. Rund 820 davon waren Straftäter. 2022 lag die Zahl der Abschiebungen bei rund 1650, darunter waren 600 Straftäter. »Auch für das Jahr 2024 liegen wir über dem Schnitt des Jahres 2023«, sagte die zuständige Landesjustizministerin Marion Gentges (CDU) auf Anfrage. Im laufenden Jahr waren es bis einschließlich Mai 1128 Abschiebungen, davon 324 Straftäter.

Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr wurden nach Angaben des Ministeriums 36 319 Asylanträge in Baden-Württemberg gestellt. Das sind rund 8500 mehr als 2022. Zuletzt kamen wieder weniger Geflüchtete an. Im Durchschnitt der letzten zehn Jahre gab es demnach 29 129 Asylzugänge in Baden-Württemberg pro Jahr. Das schließt jeweils Erst- und Folgeanträge ein. 

Von einer »freiwilligen Ausreise« will der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg allerdings nicht sprechen. Der Begriff sei irreführend, sagte Co-Geschäftsführerin Anja Bartel. »Freiwillig ist eine Entscheidung dann, wenn alternative Handlungsmöglichkeiten bestehen, wenn sie aus eigenem Willen getroffen und ohne Zwang ausgeführt wird.« Drohe Menschen hingegen die gewaltsame Abschiebung, dann sei es zynisch, die Ausreise als »freiwillig« zu bezeichnen. »Der Begriff ist ein Paradebeispiel dafür, wie strategisch Sprache häufig im Kontext der Migrationspolitik eingesetzt wird«, sagte Bartel. »Da werden Abschiebungen zu Rückführungen, Menschen zu Ausländern und Ausweglosigkeit zu Freiwilligkeit gemacht.« 

Erneut forderte Gentges die Bundesregierung und insbesondere Innenministerin Nancy Faeser (SPD) auf, Abschiebungen von Gefährdern und schweren Straftätern nach Afghanistan zu ermöglichen. »Bei schweren Straftätern und Gefährdern ermöglicht die Bundesregierung weiterhin nicht die Abschiebung nach Afghanistan«, sagte die Landesministerin. Dies gelte für Fälle, bei denen nach Einschätzung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge keine Abschiebungsverbote hinsichtlich Afghanistan bestünden - »und somit einer Abschiebung nach Afghanistan keine rechtlichen Hindernisse entgegenstünden«, sagte Gentges. »Gespräche sind wichtig, aber auf Taten kommt es an.«

Die Innenminister der Länder hatten sich in der vergangenen Woche darauf verständigt, dass Straftäter und islamistische »Gefährder« wieder in Konfliktländer wie Afghanistan und Syrien abgeschoben werden sollten. Migrations- und Völkerrechtsexperten äußerten daraufhin aber Zweifel, ob ein solcher Schritt vor Gericht Bestand hätte. 

In Baden-Württemberg gibt es mehrere Dutzend Afghanen und Syrer, deren Aufenthalt in Deutschland aus Sicht des Ministeriums aufgrund ihrer Straftaten oder wegen der von ihnen ausgehenden Gefahren für die innere Sicherheit nicht länger hinzunehmen ist. Sie sollten nach Überzeugung von Gentges so schnell wie möglich abgeschoben werden. Nach Angaben des Landes gibt der Bund aber bislang kein grünes Licht. 

Der Bund weigert sich bislang und verweist darauf, dass Abschiebungen nach Afghanistan seit August 2021 wegen der Sicherheitslage vor Ort ausgesetzt seien. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will die Abschiebung von Schwerstkriminellen nach eigener Aussage aber wieder ermöglichen. Das Bundesinnenministerium arbeite an der praktischen Umsetzung und sei bereits mit den Nachbarländern Afghanistans im Gespräch, hatte er in seiner Regierungserklärung in der vergangenen Woche gesagt. 

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