Die grün-schwarze Landesregierung war gezwungen, die Entscheidung des Gerichts umzusetzen und hat dafür nun die Coronaverordnung zum vierten Mal geändert. Sie sollte am Sonntag veröffentlicht werden, damit sie am Montag in Kraft treten kann. Die wichtigsten Punkte daraus: 1:1-Prostitution ist erlaubt. Das heißt kein Gruppensex, sondern eine Prostituierte und ein Freier dürfen in einem Raum Sex haben. Ferner ist ein Mund-Nasen-Schutz Pflicht und der Kunde muss seine Daten wie beispielsweise bei einem Friseur hinterlassen.
Die Bordelle müssen laut einer Sprecherin des Sozialministeriums in Stuttgart schlüssige Konzepte vorlegen, wie sie das umsetzen wollen. Und: Die Coronaverordnung sei aber nur bindend für Kommunen, die nicht per Allgemeinverfügung ein komplettes Prostitutionsverbot ausgesprochen hätten.
Ist damit die Gefahr gebannt, dass sich die Sexstätten als Superspreader-Orte für das Coronavirus erweisen? Ja, sagt John Heer. Er betreibt in Stuttgart zwei Laufhäuser und eine Tabledance-Bar, die vor drei Monaten wieder öffnen durfte. »Fakt ist nun Mal, dass diese Branche mit Hygienestandards gut umgehen kann.« Seit dem 1. Juli hätten zahlreiche Sexstätten in Deutschland wieder den Betrieb aufgenommen. Ihm sei kein Fall bekannt, in der von dort aus das Coronavirus eine Infektionskette ausgelöst habe. »Sehr wohl aber private Feiern«, sagt Heer. Er will erstmal prüfen, ob sich eine Wiedereröffnung seiner beiden Laufhäuser unter den vom Land vorgegebenen Regeln rentiert.
Laut dem Bundesverband sexuelle Dienstleistungen (BSD) sind Bordelle bundesweit noch in Hessen und Mecklenburg-Vorpommern geschlossen. »Was ist hier los? Haben wir es in diesen zwei Bundesländern mit einem anderen Virus zu tun oder muss Corona hier für was anderes herhalten?«, steht auf dem Banner, das über die Homepage des Verbands läuft.
Daria Oniér, BSD-Sprecherin für Stuttgart, ist froh. »Ganz große Klasse, dass wir wieder öffnen dürfen.« Sieben Monate nicht arbeiten zu dürfen, sei ein Desaster gewesen. »Die meisten Sexarbeiterinnen wie ich arbeiten als selbstständige Unternehmerinnen. Dafür gab es drei Monate Soforthilfe. Aber ich bin auch gemeldet und habe eine Steuernummer«, sagt die 42-Jährige, die seit acht Jahren unter anderem Tantra-Massagen und Sexualassistenz für Menschen mit Behinderungen anbietet.
»Wer aber nicht gemeldet war, ist in die Illegalität abgerutscht. Preise wurden gedrückt, Hygienemaßnahmen gab es da auch nicht«, erklärt Oniér. Eine Rückverfolgung für Infektionslagen sei unmöglich gewesen. »Deswegen müssen Bordelle wieder öffnen, damit der sichere Rahmen wieder da ist für die Prostituierten.«
Stuttgart war laut Sprecher Sven Matis vom Urteil des Verwaltungsgerichtshofs überrascht. Noch vor zwei Wochen habe das Gericht die Linie des Landes bestätigt. »Daraufhin hat das Amt für öffentliche Ordnung die in Stuttgart gültige Allgemeinverfügung zum Verbot der Prostitution verlängert bis Ende November«, betonte Matis. Das hohe Gut der Berufsfreiheit sei wichtig, zugleich sei der Infektionsschutz für die Stadt in diesen Tagen zentral. »Sobald uns die Gründe für den Beschluss vorliegen, werden wir diese genau analysieren und uns dann mit dem Land über die weiteren Schritte verständigen.« (dpa)