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Ärzte, Pfleger und das Virus: Wenn sich Helfer infizieren

Kliniken im Land lassen mitunter Beschäftigte trotz Kontakt zu Infizierten weiterarbeiten, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. Wie riskant ist das? Kann der Helfer zum Überträger werden?

Ein Stethoskop hängt um den Hals eines Arztes
Ein Stethoskop hängt um den Hals eines Arztes. Foto: Soeren Stache/dpa-Zentralbild/ZB/Symbolbild
Ein Stethoskop hängt um den Hals eines Arztes. Foto: Soeren Stache/dpa-Zentralbild/ZB/Symbolbild

STUTTGART. Im Südwesten haben sich bereits Hunderte Ärzte und Pfleger mit dem neuartigen Coronavirus infiziert. Mittlerweile wurden 619 Infektionen beim medizinischen Personal an das Landesgesundheitsamt übermittelt, wie das Stuttgarter Regierungspräsidium der Deutschen Presse-Agentur am Freitag mitteilte. Die Zahlen hätten keinen Anspruch auf Vollständigkeit, weil die Information, ob es sich bei den Infizierten um Ärzte oder Pfleger handele, nur dann dem Landesgesundheitsamt gemeldet werde, wenn sie dem Gesundheitsamt vor Ort vorliege.

Im Fall eines »relevanten Personalmangels« können laut Robert-Koch-Institut (RKI) die Quarantäneregeln für Klinikmitarbeiter gelockert werden. Hat ein Mitarbeiter keine Symptome kann er mit einer Schutzmaske weiter arbeiten, selbst wenn er ungeschützten Kontakt zu einem Infizierten hatte - etwa wenn sich der Mann einer Krankenschwester angesteckt hat. In absoluten Ausnahmefällen können sogar mit dem Coronavirus infizierte Ärzte und Pfleger weiter arbeiten, sofern sie eine Schutzmaske tragen und die Patienten selbst positiv sind.

Der Leiter des Kompetenzzentrums Gesundheitsschutz im Landesgesundheitsamt, Stefan Brockmann, berichtet von einigen Landkreisen im Südwesten, wo Klinikmitarbeiter auch nach Kontakt mit Infizierten weiter arbeiteten. »Gerade ein Ausbruch in einem Heim oder einer Klinik betrifft sehr schnell viele Mitarbeiter«, sagt Brockmann. »Sie reißen der Einrichtung den Boden unter den Füße weg, wenn Sie ein Drittel in Quarantäne schicken.« Auch wenn man sich nicht wohlfühle, dass man jemanden, der sich möglicherweise angesteckt habe, zum Arbeiten lässt. Durch Schutzkleidung sei das Risiko einer Übertragung stark reduziert. Dass aber Infizierte weiter arbeiteten, befürworte man nicht. Das sei der »letzte Notnagel«.

An der Universitätsklinik Tübingen sind Ärzte und Mitarbeiter im Einsatz, die Kontakt zu mit dem Coronavirus Infizierten hatten. »Es gibt Mitarbeiter, die nicht verzichtbar sind und unter strengen Auflagen weiterarbeiten dürfen«, sagte der Leiter der Krankenhaushygiene Jan Liese. Sie dürften beispielsweise nur mit Mund- und Nasenschutz arbeiten und keine Risikopatienten wie ältere Menschen behandeln. Sobald Symptome auftreten, müssen die Mitarbeiter ihre Arbeit unterbrechen und sich auf Covid-19 testen lassen. Liese bezeichnete die Situation als »Dilemma«. Es gelte, Risiken abzuwägen. »Wir haben aber am Klinikum auch noch andere Patienten zu versorgen, das kommt manchmal zu kurz«, sagte er.

Die Ärztegewerkschaft Marburger Bund kritisiert die Praxis. Ärzte, die infiziert sind oder Kontakt mit infizierten Personen hatten, dürften nicht weiterarbeiten. Das sei nicht vertretbar, betonte ein Sprecher. Schutzausrüstung verhindere zwar im Zweifel eine Übertragung - an der mangele es aber an vielen Kliniken. »Hier besteht akuter Handlungsbedarf.« Durch das Fehlen zertifizierter Schutzmasken steige die Wahrscheinlichkeit, dass diejenigen Ärzte, die die schweren Covid-19-Fälle behandelten, sich selbst infizierten, erkrankten und das Corona-Virus unter Umständen weiterverbreiteten.

Nach Einschätzung von Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) könnte die Corona-Krise an Ostern auf einen Höhepunkt zusteuern. »Wir rechnen Stand heute etwa an Ostern mit einem gewissen Peak an Behandlungen«, sagte Lucha der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. 15 971 Menschen im Land haben sich laut Gesundheitsministerium bis Donnerstagnachmittag infiziert, 281 Infizierte sind gestorben. Die Neuerkrankungsraten seien in den vergangenen Tagen aber nicht mehr exponentiell gestiegen, sondern auf ähnlichem Niveau stabil geblieben, sagte Lucha. »Wir rüsten uns, dass wir an den Ostertagen maximal einsatzfähig sind.« Am 1. März standen 2200 Beatmungsplätze im Land zur Verfügung, nun seien es schon rund 2800. Bis zum 13. April sollen 3800 Beatmungsplätze zur Verfügung stehen. (dpa)

Regel des Robert-Koch-Instituts