TÜBINGEN. Im Fernsehsender »Bild TV« hat sich Boris Palmer am Sonntag für eine Impfpflicht ausgesprochen. Der Tübinger Oberbürgermeister reagierte damit im Talkshowformat »Die richtigen Fragen« auf eine Frage des Bild-Moderators und stellvertretenden Bild-Chefredakteurs Paul Ronzheimer zur Debatte um härtere Corona-Maßnahmen.
»Ich kann nur sagen, was ich für nötig halte«, sagte Palmer. Sowohl Argumente als auch das Ausüben von Druck in der Vergangenheit hätten nicht geholfen, die Impfquoten in Deutschland signifikant zu erhöhen.
»Mit Argumenten klappt's nicht, mit Druck und Kosten und 2-G-Regeln hat's nicht geklappt. Dann scheint es mir ziemlich logisch zu sein: Diese Gesellschaft braucht eine Form des Zusammenhaltes«, sagte Palmer. Eine Impfpflicht halte er daher für die logische Konsequenz.
Die Spirale aus immer neuen Maßnahmen brechen
Der Oberbürgermeister drückte sein Bedauern über diese Erkenntnis aus: »Leider muss man manchmal zu solchen Konsequenzen greifen.« Etwas Böses sehe er in einer Impfpflicht nicht: »Die Pflicht ist ja nichts Böses - sondern sie spürt man eben erst einmal in Form eines Gesetzes.«
Als Begründung für seine Forderung nannte Palmer die Aussichtslosigkeit, in der sich die deutsche Politik momentan befinde: »Wenn wir ohne Impfungen kaum Chancen haben, diese ewige Spirale aus Kontaktbeschränkungen und Schulschließungen und was da alles noch kommt, zu durchbrechen - was wollen wir denn dann noch tun?«
Für verfassungswidrig hält Palmer die Impfpflicht nicht. »Es gibt ja auch die Masern-Impfpflicht und ich kann mir nicht vorstellen, dass Masern unsere Gesellschaft je so bedroht haben, wie es derzeit bei der Corona-Pandemie droht.«
Unzufriedenheit mit Corona-Politik
Im Gespräch mit Ronzheimer äußerte Palmer darüber hinaus auch seine Unzufriedenheit mit der bisherigen Corona-Politik. Der Oberbürgermeister kritisierte die Beendigung der kostenlosen Bürgertests vor einigen Wochen, die Schließung von Impfzentren und die Einstellung der Kontaktverfolgungen in den Gesundheitsämtern. »Es ist schon sehr viel wieder schief gelaufen, da kann man gar nicht darum herum reden.«
Ob Silvester- oder Weihnachtspartys möglich sein werden, konnte auch der Tübinger OB nicht einschätzen. Dies komme nun auch darauf an, wie die Politik auf die steigenden Zahlen reagiere.
Palmer regte an, sich beim Brechen der Welle insbesondere auf ungeimpfte Personen über 60 zu konzentrieren: »Wenn wir die drei Millionen Menschen, die über 60 und nicht geimpft sind, gezielt ansprechen und impfen können, hätten wir keine Impfstoffknappheit und könnten den Krankenhäusern die notwendigen Entlastungen bringen. Es sind nur drei Millionen Menschen, die wir erreichen, überzeugen oder irgendwie dazu bringen müssen, sich impfen zu lassen.« (GEA)