REUTLINGEN. Im vergangenen Jahr registrierte das Polizeipräsidium Reutlingen in den Landkreisen Esslingen, Reutlingen, Tübingen und Zollernalb insgesamt 53.590 Straftaten, das entspricht einem Anstieg von 8,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr (2022: 49.564). Verantwortlich hierfür sind insbesondere Zuwächse bei den Diebstahls- und Körperverletzungsdelikten. Die Anzahl der insgesamt erfassten Straftaten liegt dennoch unter dem Niveau der Vor-Pandemie-Jahre 2015 bis 2019. Die Aufklärungsquote erhöhte sich um gut einen Prozentpunkt auf 62,1 Prozent (2022: 61).
Die Kriminalitätsbelastung im Bereich des Polizeipräsidiums Reutlingen liegt mit 4.260 Straftaten pro 100.000 Einwohner (2022: 3.991) um 6,7 Prozent über dem Wert des Vorjahres. Sie befindet sich dennoch deutlich unter dem landesweiten Durchschnitt (BW: 5.272).
Die Zahl der ermittelten Tatverdächtigen ist im vergangenen Jahr um 7,5 Prozent auf insgesamt 24.870 (2022: 23.133) gestiegen. Der Zuwachs erstreckt sich hierbei auf alle Altersgruppen, wobei insbesondere bei den tatverdächtigen Kindern eine erhebliche Steigerung um 15,6 Prozent auf 1.285 (2022: 1.112) zu verzeichnen war.
20-Jahres-Höchststand bei ausländischen Tatverdächtigen
Im vergangenen Jahr nahm die Zahl der nichtdeutschen Tatverdächtigen mit 11.336 (2022: 9.795) merklich zu. Ohne Verstöße gegen das Aufenthaltsgesetz, Asylgesetz oder Freizügigkeitsgesetz EU, die fast ausschließlich von Ausländern begangen werden können, liegt die Zahl der nichtdeutschen Tatverdächtigen mit 9.279 um 13,4 Prozent über dem Vorjahreswert (2022: 8.186). Dies entspricht einem Anteil von 40,7 Prozent an der Gesamtzahl der Tatverdächtigen und markiert einen neuen 20-Jahres-Höchststand.
Auch die Zahl tatverdächtiger Asylbewerber bzw. Flüchtlinge (ohne Verstöße gegen das Aufenthalts-, Asylgesetz bzw. dem Freizügigkeitsgesetz EU) stieg an. Sie erhöhte sich im Vergleich zum Vorjahr deutlich um 34 Prozent auf insgesamt 2.366 (2022: 1.766). Dies entspricht einem Anteil von 10,4 Prozent (2022: 8,2) an den Tatverdächtigen insgesamt (ohne ausländerrechtliche Verstöße).
Finanzielle Belastung ist Risikofaktor für Straftaten
Die Zuwächse bei den Straftaten und Tatverdächtigen sowie bei der Kriminalitätsbelastung können zunächst mit dem einschränkungsfreien öffentlichen Leben im vergangenen Jahr und der damit verbundenen Rückkehr vielfältiger Tatgelegenheiten in Verbindung stehen. Zugleich stellen mit schwächelnder Konjunktur und Inflation in Zusammenhang stehende finanzielle Belastungen der Bevölkerung mögliche Risikofaktoren dar, die das Kriminalitätsaufkommen begünstigen können. Auch die anhaltend starke Zuwanderung dürfte Einfluss auf die Entwicklungen in der Kriminalstatistik nehmen.
Aufgrund einer statistischen Fehlerfassung bei den Straftaten gegen das Leben weist die PKS 2023 für den Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Reutlingen fälschlicherweise 56 Taten aus. Mit dem korrigierten richtigen Wert von 47 Fällen wurden 2023 jedoch zwei Delikte weniger als im Vorjahr verzeichnet. Die Aufklärungsquote für die genannten 47 Taten lag bei 91,5 Prozent (2022: 100) und damit 8,5 Prozentpunkte unter dem Wert aus 2022.
Deutlich mehr Ladendiebstähle
Die Fallzahlen des Diebstahls stiegen mit insgesamt 15.882 Straftaten um 20,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr deutlich an (2022: 13.193). Insbesondere die Anzahl der Ladendiebstähle erhöhte sich enorm um 1.334 Delikte oder 36,6 Prozent auf 4.982 Fälle (2022: 3.648). Mit diesem Wert wurde ein 10-Jahres-Hoch erreicht. Von den verzeichneten Ladendiebstählen wurden 75,8 Prozent aufgeklärt.
Der Wohnungseinbruchsdiebstahl nahm zwar mit 407 Taten (2022: 371) um 9,7 Prozent zu, jedoch liegt diese Fallzahl weiterhin auf niedrigem Niveau. Im Zeitraum der letzten 20 Jahre wurden nur 2021 und 2022 weniger Wohnungseinbrüche registriert. Vergangenes Jahr blieb es in 45,9 Prozent und damit beinahe der Hälfte aller Fälle beim Einbruchsversuch. Neben zielgerichteten Ermittlungen sowie Präsenz- und Kontrollmaßnahmen ist der technische Einbruchschutz von elementarer Bedeutung. Zu diesem Zweck bietet die Kriminalpolizeiliche Beratungsstelle des Polizeipräsidiums Reutlingen für Bürgerinnen und Bürger sowie Firmen und Betriebe kostenlose sicherungstechnische Beratungen an, um mögliche Schwachstellen an Gebäuden aufzuzeigen und über maßgeschneiderte Möglichkeiten zu deren Behebung zu informieren.
Mehr Straftaten mit Gewaltbezug
Insgesamt wurden auch mehr Straftaten mit Gewaltbezug festgestellt. Die Gewaltkriminalität nahm um 11,8 Prozent auf 2.023 Straftaten (2022: 1.809) zu und erreichte einen 20-Jahres-Höchststand. Ein Höchstwert war auch bei den Körperverletzungsdelikten mit einem Zuwachs von 10,3 Prozent auf 6.434 Straftaten (2022: 5.831) zu verzeichnen. Die Raubdelikte stiegen ebenfalls deutlich um 16,8 Prozent auf 306 Fälle (2022: 262) an. Nachdem bereits 2022 ein Höchststand erreicht worden war, nahm die Anzahl der Fälle von Gewalt gegen Polizeibeamte um 9,2 Prozent auf 579 Straftaten (2022: 530) im letzten Jahr erneut zu. Auch die Anzahl verletzter Polizistinnen und Polizisten erhöhte sich auf insgesamt 296 (2022: 267).
In den vergangenen drei Jahren kam es im Bereich des Polizeipräsidiums Reutlingen zu einer Zunahme von Messerangriffen im öffentlichen Raum. Im Vergleich zum Vorjahr stieg die Fallzahl im Jahr 2023 um 8,9 Prozent (2022: 101) auf 110 Straftaten an. Gleichwohl sind im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Reutlingen diesbezüglich nach wie vor keine örtlichen Brennpunkte erkennbar.
Weniger Fälle von sexuellen Straftaten
Die das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung stark beeinträchtigenden Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung sind im Vergleichszeitraum um insgesamt 5 Prozent auf nunmehr 1.058 Fälle gesunken (2022: 1.114). Mit 447 Fällen bzw. 42,4 Prozent macht die Verbreitung pornografischer Schriften, wozu auch die Kinder- und Jugendpornografie gehört, einen Großteil der Delikte in diesem Bereich aus.
Bei Sexualstraftaten im öffentlichen Raum war mit 218 erfassten Fällen eine Zunahme von 11,2 Prozent zu verzeichnen (2022: 196). Dieser Anstieg lässt sich auf einen Zuwachs bei exhibitionistischen Handlungen um 22 Taten auf 104 Fälle zurückführen (2022: 82), Vergewaltigungen und sexuelle Belästigungen im öffentlichen Raum waren mit 11 bzw. 63 registrierten Taten hingegen leicht rückläufig (2022: 13 bzw. 64). Auch im vergangenen Jahr stand der Bereich der sexualisierten Gewalt im Fokus polizeilicher Präventionsaktivitäten.
Cybercrime ist auf einem neuen Höchststand
Insbesondere zum Thema sexualisierte Gewalt gegen Kinder und zur Eindämmung der Verbreitung von Kinder- und Jugendpornografie fanden unter anderem Elternabende, Fortbildungen für Erzieherinnen und Erzieher sowie verschiedene Impulsvorträge statt. Hierbei sind unsere Kolleginnen und Kollegen mit den Jugendämtern, dem Opferhilfeverein WEISSER RING e. V. sowie der Psychosozialen Prozess- und Zeugenbegleitung eng vernetzt.
Mit fortschreitender Vernetzung und Digitalisierung gewinnt Cybercrime auch für die polizeiliche Arbeit immer mehr an Bedeutung. Im Jahr 2023 wurden 1.174 Straftaten (2022: 717) registriert. Damit stieg die Anzahl der Delikte um 457 Fälle bzw. 63,7 Prozent auf einen neuen Höchststand. Die sogenannten »Ransomware«-Angriffe machen zwar nur einen kleinen Teil der Cybercrime-Delikte aus, haben aber teils schwerwiegende Folgen für betroffene Firmen, Behörden und andere Institutionen. Bei diesen Cyber-Attacken geht es den Tätern darum, für die Entschlüsselung der zuvor kryptierten IT-Systeme der Unternehmen hohe Geldbeträge zu erpressen. Um auch dieses Phänomen einzudämmen, arbeiten die Cyberermittler der Kriminalpolizeidirektion Esslingen eng und erfolgreich mit anderen Polizeibehörden auf Landes- und Bundesebene sowie mit internationalen Partnern zusammen. (pol)