BERLIN. Wenige Tage vor neuen Bund-Länder-Beratungen zur Corona-Pandemie wächst der Wunsch der Menschen nach mehr Freiheiten. Einer Umfrage zufolge wünscht sich eine Mehrheit der Menschen die Öffnung von Handel, Restaurants, Hotels und Museen noch im März. Der Deutsche Landkreistag fordert eine Strategie für regionale Lockerungen.
Am Mittwoch beraten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten der Länder erneut. Sie sehen sich wachsendem Druck gegenüber, die Beschränkungen des Corona-Lockdowns zu lockern. Zugleich gibt es Sorgen vor einer dritten Pandemie-Welle. Seit einigen Tagen zeigen die Kurven von Neuinfektionen und Sieben-Tage-Inzidenz je 100.000 Einwohner wieder nach oben. Am Samstag meldete das Robert Koch-Institut einen Wert von 63,8. Das ist weit entfernt von dem Ziel von 35, ab dem deutliche Lockerungen wieder möglich werden sollten. Am Montag öffnen bundesweit zumindest die Friseure, in einigen Ländern auch vereinzelt andere Geschäfte wie Gartenmärkte.
In einer Umfrage des Insa-Meinungsforschungsinstituts für die »Bild am Sonntag« sprachen sich 75 Prozent dafür aus, dass die Geschäfte im März wieder öffnen, 17 Prozent waren dagegen. Bei Restaurants wollen 54 Prozent der Befragten eine Öffnung im März, 35 Prozent lehnten dies ab. Auch bei Hotels (45 zu 37 Prozent), Kosmetiksalons (44 zu 32 Prozent) und Museen (42 zu 35 Prozent) überwogen die Öffnungsbefürworter. Anders sah es bei Kinos und Theatern aus. Hier sind 35 für eine Öffnung im März, aber 46 Prozent dagegen. Auch bei der Öffnung von Sportstätten und Fitnessstudios (40 zu 41) gab es mehr Gegner als Befürworter einer Öffnung.
Für regionale Öffnungsschritte sprach sich der Deutsche Landkreistag aus. Dessen Präsident Reinhard Sager sagte der »Welt am Sonntag«, Bund und Länder müssten stärker die Corona-Situation vor Ort betrachten. »Wir können nicht warten, bis innerhalb eines Bundeslands oder sogar im gesamten Bundesgebiet die Werte so niedrig sind, dass sich überall Öffnungsmaßnahmen rechtfertigen lassen. Dafür sind die regionalen Unterschiede einfach zu groß«, betonte Sager. Benachbarte Kommunen und Bundesländer sollten Öffnungsschritte koordinieren. Man werde aber einen »gewissen Shopping-Tourismus« nicht in allen Fällen verhindern können.
Dagegen mahnte der Deutsche Städtetag zur Vorsicht. »Umfassende Lockerungen kann es jetzt noch nicht geben«, sagte Städtetagspräsident Burkhard Jung den Zeitungen der Funke Mediengruppe. »Wir brauchen Öffnungsschritte, die durch gute Schutzmaßnahmen und eine passende Teststrategie abgesichert werden. Wer aber zu viel und zu früh öffnet, den bestraft das Coronavirus«, mahnte Jung. »Öffnen ja - aber mit Vorsicht. Sonst droht ein Blindflug in die dritte Welle«, sagte auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) der »Bild am Sonntag«.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann sagte am Samstagabend bei einer Talkrunde der »Badischen Neuesten Nachrichten«, er könne die Ungeduld der Menschen verstehen. »Nur ist es dem Virus egal, ob wir müde sind oder nicht. Es steckt einfach nur an«, betonte der Grünen-Politiker. Breites Testen eröffne nun zunächst die Möglichkeit, Öffnungen zu riskieren. »Und wenn nicht neue Mutanten kommen, dann kann man erwarten, dass wir im Sommer oder im Herbst die Pandemie geknackt haben«, sagte Kretschmann.
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer will Gaststätten, Museen und Geschäften im Frühling und Sommer die Öffnung erlauben, wenn sie bei Kunden Schnelltests durchführen. "Mit Schnelltests kann ein privater Veranstalter oder Gastgeber, egal ob er eine Gaststätte, einen Laden oder ein Museum betreibt, sicherstellen, dass von seinen Kunden kaum Ansteckungsgefahr ausgeht, und damit sein Gewerbe wieder betreiben", sagte Dreyer der "Bild am Sonntag". "Dies müsse unter strengen Auflagen passieren, "aber das kann Praxis im Frühling und Sommer werden." (dpa)
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