BERLIN. In Deutschland hat der harte Lockdown begonnen. Im Kampf gegen das Coronavirus wird das öffentliche Leben zum zweiten Mal in diesem Jahr heruntergefahren.
Abgesehen von Lebensmittelläden und anderen Geschäften für den täglichen Bedarf ist der Einzelhandel nun vorerst bis zum 10. Januar geschlossen, auch Schulen und Kitas bleiben weitgehend zu. Mitten in der Krise gibt es aber einen Lichtblick: Laut Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) könnte es auch in Deutschland nächste Woche mit den Impfungen losgehen.
Spahn bezeichnete es als sehr gutes Signal, dass nach heutigem Stand noch vor Heiligabend der erste Impfstoff in der EU zugelassen werden dürfte. Danach könne man innerhalb von zwei bis vier Tagen mit dem Impfen beginnen, sagte er am Dienstagabend in den ARD-»Tagesthemen«. In Deutschland seien die Impfzentren und Impfstrukturen nun einsatzbereit. In einem ersten Schritt könnten nach der Zulassung »um die 400.000 Dosen ausgeliefert werden«. Pro Person werden zwei Dosen benötigt. Geimpfte sollen laut Spahn die Möglichkeit bekommen, Wirkungen und Nebenwirkungen per App zu melden.
Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA hatte am Dienstag angekündigt, dass sie schon am 21. Dezember ihr Gutachten über den Impfstoff des Mainzer Unternehmens Biontech und seines US-Partners Pfizer vorlegen will - also acht Tage früher als bisher in Aussicht gestellt. Formell muss dann noch die EU-Kommission zustimmen. Das gilt als Formsache und könnte auch innerhalb eines Tages erfolgen. Damit wäre der Weg frei für den Beginn von Massen-Impfungen in allen EU-Mitgliedsstaaten.
Zunächst werde Deutschland den Impfstoff wie vereinbart aus den europäischen Verträgen bekommen, sagte Spahn. Dies seien bis Ende des ersten Quartals elf bis 13 Millionen Impfdosen. Später kämen dann die Lieferungen hinzu, die man bilateral mit den Herstellern vereinbart habe. Dies seien allein von Biontech 20 Millionen Dosen zusätzlich. Spahn geht davon aus, dass bis Ende des nächsten Sommers rund 60 Prozent der Bürger in Deutschland geimpft sein könnten. Laut Experten ist eine Rate von 60 bis 70 Prozent für eine wirkungsvolle Bekämpfung der Pandemie nötig.
Mit einer schnellen Entspannung der Lage rechnet die Bundesregierung nicht. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) warnte am Dienstag in einer Sitzung der Unionsfraktion, Januar und Februar würden nochmals richtig harte pandemische Monate werden. »Da dürfen wir uns keine Illusionen machen«, wurde sie von Teilnehmern zitiert. Der Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, hält die Lage für so ernst wie noch nie in dieser Pandemie.
Mit den nun geltenden harten Einschränkungen wollen Bund und Länder erreichen, dass die starke Welle der Neuansteckungen gebrochen wird. Ziel ist es, die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen einer Woche auf maximal 50 zu bringen, um die Kontaktnachverfolgung wieder möglich zu machen. Damit soll auch verhindert werden, dass die Kliniken überlastet werden, insbesondere die Intensivstationen. Am Mittwoch lag die sogenannte Sieben-Tages-Inzidenz laut RKI-Daten bei 179,8.
Private Treffen bleiben auf den eigenen und einen weiteren Haushalt, in jedem Fall auf maximal fünf Personen beschränkt - Kinder bis 14 Jahre ausgenommen. Nur zu Weihnachten vom 24. bis 26. Dezember gibt es Lockerungen. Die Auflagen gelten vorerst bis 10. Januar. Am 5. Januar wollen Bund und Länder über die weitere Marschroute beraten.
Der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, rechnet damit, dass Einschränkungen noch über Monate notwendig sein werden. »Auch wenn die Impfungen jetzt früher beginnen als erwartet, wird der Effekt nur allmählich zu einer Verbesserung der Lage beitragen. Wir werden mindestens noch bis Ostern mit verschiedenen Lockdown-Maßnahmen leben müssen«, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) appellierte an den Gemeinsinn. »Es geht jetzt nur in einer gemeinsamen Kraftanstrengung«, sagte sie dem dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). »Und ich hoffe, dass wir alle miteinander solidarisch und verständnisvoll sind, um die Krise zu bewältigen.« (dpa)