BERLIN. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn geht davon aus, dass bis Ende Sommer 2021 rund 60 Prozent der Bürger in Deutschland gegen das Coronavirus geimpft sein könnten.
Stand heute könne im Sommer mit einer solch großen Zahl an Impfdosen gerechnet werden, dass dann weite Teile der Bevölkerung geimpft werden könnten, sagte der CDU-Politiker am Montagabend im ZDF-»heute-journal« auf die Frage, wann 60 Prozent der Bevölkerung geimpft sein könnten. Laut Experten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist eine Durchimpfungsrate von 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung für eine wirkungsvolle Bekämpfung der Pandemie nötig.
Spahn sagte weiter: »Unser Ziel ist, dass es noch vor Weihnachten eine Zulassung gibt und dass wir dann auch noch in diesem Jahr beginnen können zu impfen, auch hier in Deutschland.« Entscheiden müsse am Ende die Europäische Arzneimittel-Agentur (Ema). Das Mainzer Pharma-Unternehmen Biontech und sein US-Partner Pfizer hatten bei der Ema die Zulassung des Corona-Impfstoffs beantragt. Spätestens am 29. Dezember soll das Gutachten des Expertenausschusses vorliegen.
Dass in den USA, in Kanada und in Großbritannien schon mit dem in Deutschland entwickelten Impfstoff geimpft werden darf, hierzulande aber noch nicht, stößt auf Kritik. »Es kann nicht sein, dass ein in Deutschland entwickelter Impfstoff erst im Januar zugelassen und verimpft werden kann«, sagte die gesundheitspolitische Sprecherin der FDP im Bundestag, Christine Aschenberg-Dugnus.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) forderte eine Notfallzulassung. »Ich frage mich, ob wir wirklich bis zum 29. Dezember brauchen, um in Europa eine Zulassung des Impfstoffs zu erreichen. Europa sollte auch versuchen, schon vorher eine Notfallzulassung zu schaffen«, sagte DKG-Präsident Gerald Gaß dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND, Dienstag). »Dann könnten wir noch vor Weihnachten mit mobilen Teams in die Pflegeheime gehen und die Bewohner dort impfen.«
Spahn hat sich wiederholt gegen eine Notfallzulassung für Deutschland ausgesprochen. Man habe sich von Anfang an für eine ordentliche Zulassung auf europäischer Ebene entschieden, bekräftigte der CDU-Politiker im ZDF. »Das ist wichtig fürs Vertrauen aus meiner Sicht.« Er wundere sich über manche auch sehr nationale Töne dieser Tage - man habe sich ja bewusst für einen gemeinsamen europäischen Weg entschieden. »Aber ja, sie (die Impfung) sollte zügig kommen.«
SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, dass auch hierzulande eine Notzulassung rechtlich möglich sei. Sie sei aber »nicht vorbereitet worden, weil man mit der Verzögerung der Zulassung auf europäischer Ebene einfach nicht rechnen konnte«. Für eine Notzulassung in Deutschland sei es nun zu spät, fügte Lauterbach hinzu. Diese würde jetzt länger dauern als das Ende der Zulassung auf EU-Ebene abzuwarten.
Nach Angaben von Spahn ist für das erste Quartal mit 12 bis 13 Millionen Impfdosen zu rechnen. Wenn es eine zusätzliche Zulassung von Astra Zeneca oder Johnson & Johnson in diesem ersten Quartal gäbe, »hätten wir auch zusätzliche Impfdosen verfügbar«, fühte er hinzu. »Das ist durchaus realistisch, aber eben auch noch nicht sicher.«
Er könne jedenfalls versichern, dass Deutschland durch die Notfallzulassung des Impfstoffes in den USA keine Nachteile haben werde. »Wir haben Verträge als Europäische Union, Großbritannien hat Verträge, die Vereinigten Staaten haben Verträge - und jeder hat sich eben fürs erste Quartal in diesen Verträgen auch entsprechende Mengen gesichert.« Von den EU-Verträgen werde nichts weggenommen oder früher woanders hin ausgeliefert, »das ist nicht der Fall«.
Die Zahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus ist weiter auf hohem Niveau, auch wenn die deutschen Gesundheitsämter dem Robert Koch-Institut (RKI) zum Wochenstart wieder vergleichsweise wenig neue Corona-Infektionen gemeldet haben. Innerhalb eines Tages wurden 16 362 neue Fälle übermittelt, wie das RKI am Montagmorgen bekanntgab. Das sind rund 4000 Fälle mehr als am vergangenen Montag, als die Zahl der gemeldeten Neuinfektionen bei 12.332 lag. Der bisherige Rekord war am Freitag mit 29.875 gemeldeten Fällen erreicht worden. An Sonntagen und Montagen sind die vom RKI veröffentlichten Fallzahlen meist niedriger, unter anderem weil am Wochenende weniger getestet wird.
Angesichts der stark gestiegenen Infektions- und Todeszahlen wird das öffentliche und private Leben von Mittwoch an bundesweit drastisch heruntergefahren. Geschäfte - außer die für den täglichen Bedarf - müssen schließen, Schulen sollen für den Präsenzunterricht geschlossen werden. Private Treffen bleiben auf den eigenen und einen weiteren Haushalt, in jedem Fall aber auf maximal fünf Personen beschränkt - Kinder bis 14 Jahre sind ausgenommen. Nur über Weihnachten vom 24. bis 26. Dezember gibt es Lockerungen. Die Einschnitte des umfassenden Lockdowns gelten vorerst bis 10. Januar. (dpa)