BERLIN. Gerne wird in der Pandemie von wirtschaftlichen Gewinnern und Verlierern gesprochen. Während ganze Branchen wegen der notwendigen Beschränkungen stillstehen, gibt es einige, denen es in der Pandemie auch gut geht.
Irgendwas müssen die Leute ja tun - und da sind für viele Videospiele genau das Richtige.
»Auf jeden Fall auf der Gewinnerseite« sieht sich Carsten Fichtelmann, Geschäftsführer des deutschen Spiele-Publishers Daedalic Entertainment in Hamburg. »Wir können ja einfach weiterarbeiten und unsere Produkte verkaufen.« Daedalic ist etwa für Spiele wie die Adventure-Reihe »Deponia« bekannt, und entwickelt derzeit »Herr der Ringe: Gollum«.
»Für uns war es das finanziell beste Jahr, das wir bisher hatten«, sagt Christoph Rienäcker, Geschäftsführer des Studios Barrell Roll Games aus Eilenstedt in Sachsen-Anhalt. »Es ist die Frage, ob das jetzt nur an der Pandemie lag - wahrscheinlich sind es verschiedene Faktoren. Aber wir können uns nicht beklagen.«
Das kleine Unternehmen entwickelt das Spiel »Witch It«, in dem Jäger gegen Hexen antreten. Nach einer rund dreijährigen öffentlichen Testphase, dem sogenannten Early Access, ist die Vollversion im Oktober erschienen.
Felix Falk, Geschäftsführer des Verbandes Game, ist bei seiner Einschätzung der Situation zurückhaltender. »Für die Games-Branche bedeutet Corona sowohl Licht als auch Schatten«, sagt er. »Licht deswegen, weil so viele Menschen wie noch nie spielen. Gerade im Lockdown helfen Spiele den Menschen, unterhalten sie und lassen sie mit Freunden und Familie verbunden bleiben.« Der Games-Markt sei im ersten Halbjahr 2020 um 27 Prozent gewachsen.
Doch Corona bringe trotz der Erfolge auch Probleme. »Gerade in Deutschland sind wir als Branche eher noch klein und mittelständisch geprägt. Dadurch haben viele Unternehmen keine großen Finanzpuffer.« So könnten etwa wegen Verzögerungen durch Homeoffice Entwicklungspläne nicht eingehalten werden. »Finanzierungsengpässe können dadurch schnell entstehen. Aber insgesamt schlagen wir uns, glaube ich, sehr gut. Auch weil die Games-Branche schon immer digital war und sehr gut mit Homeoffice und anderen digitalen Herausforderungen umgeht«, sagt Falk.
Das Problem für den deutschen Markt: Nur ein kleiner Teil der Umsätze, die hierzulande mit Videospielen gemacht werden, fließt auch an deutsche Unternehmen. Die großen Player der Branche kommen aus den USA, Japan, China - oder auch Frankreich und Polen. Der Verband fordert deshalb seit Jahren eine stärkere staatliche Förderung für die Branche. 2021 will der Bund 50 Millionen Euro bereitstellen.
Werden wir im Lockdown also alle zu Zockern? »Die Leute, die schon mit Spielen aufgewachsen sind, spielen jetzt mehr und die kaufen auch mehr, weil sie einfach mehr zu Hause sind«, sagt Daedalic-Geschäftsführer Fichtelmann.
Vor allem Multiplayer-Spiele sind beliebt. »Es gibt ein Wachstum bei der Nutzung dieser Spiele. Weil das reine Telefonat das persönliche Treffen nicht ersetzt, Spiele aber die Möglichkeit bieten, Unterhaltung und Zerstreuung zu finden und gleichzeitig mit Freunden und Familie in Kontakt zu sein«, sagt Falk.
»Witch It« gehört zu diesen Multiplayer-Spielen. Für den Erfolg des Spiels war jedoch zu großen Teilen der chinesische Markt ausschlaggebend. »Ende letzten Jahres sind wir in China viral gegangen mit ein paar Posts«, sagt Rienäcker. »Das hat sich auf jeden Fall in dieses Jahr noch fortgetragen, wir haben sehr gute Verkäufe in China. Und als das mit Corona losging, hat sich das noch einmal multipliziert.«
Auch in das kommende Jahr geht die deutsche Videospielbranche optimistisch, heißt es im Game-Branchenbarometer, in dem die 320 Mitglieder des Verbandes befragt werden. Sieben von zehn Games-Unternehmen in Deutschland erwarten demnach eine positive Entwicklung im kommenden Jahr, 45 Prozent der Firmen planen Neueinstellungen.
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