ESSEN/WUHAN. Corona-Patienten haben einer Studie zufolge in vielen Fällen dauerhaft so viele Antikörper, dass eine erneute Infektion mit dem Virus vermutlich abgewehrt werden kann.
Zu diesem Ergebnis kommt eine noch unveröffentlichte Studie an 327 Covid-19-Patienten im chinesischen Wuhan, die zu den weltweit ersten infizierten Menschen gehören. Bei mehr als 80 Prozent der Patienten seien sechs Monate nach ihrer Erkrankung noch biologisch aktive Antikörper nachgewiesen worden, die fähig seien, das Virus unschädlich zu machen, sagte der Virologe Ulf Dittmer, Direktor des Instituts für Virologie der Uniklinik Essen.
An der Studie des deutsch-chinesischen Gemeinschaftslabors in Wuhan waren neben chinesischen Experten auch drei Virologen aus Essen beteiligt, darunter Mirko Trilling. Die Ergebnisse der Untersuchung sollen in den nächsten Tagen einem Fachmagazin zur Begutachtung vorgelegt werden.
Die untersuchten Patienten seien alle im Krankenhaus behandelt worden und hätten leichte oder schwere Symptome gezeigt, so Dittmer. Die Bildung der Antikörper habe dem entsprochen, was man auch von anderen Viruserkrankungen kenne, sagte der Virologe der Deutschen Presse-Agentur dpa. »Eine Antikörper-Antwort gegen Viren wird in der Regel schnell hervorgerufen. Die Menge an Antikörpern steigt erst sehr stark an, erreicht einen Höhepunkt, fällt danach wieder ab und stabilisiert sich dann auf einem Niveau, das meistens noch Schutz gegen eine neue Infektion vermitteln kann.« In den letzten zwei bis drei Monaten des jeweils sechsmonatigen Untersuchungszeitraums bei den chinesischen Covid-19-Patienten sei die Antikörper-Menge relativ stabil geblieben.
»Ich glaube, dass daraus folgt, dass wir zumindest eine Zeit lang von einer Immunität nach einer durchgemachten Erkrankung ausgehen können«, sagte Dittmer weiter. Dies könne auch bedeuten, dass eine Impfung einen länger anhaltenden Schutz vermitteln könne - sofern der Impfstoff in der Lage ist, ähnlich stabile Antikörper-Antworten wie eine Covid-19-Erkrankung auszulösen. Wie lange solch eine Immunität anhalte, sei noch unbekannt. »Nach der aktuellen Studie muss man aber zumindest von mehreren Monaten, vermutlich eher Jahren, ausgehen.« Derzeit werde bei anderen Corona-Virustypen diskutiert, dass eine Immunität nur wenige Jahre anhalte. Dies sei aber noch nicht ausreichend untersucht worden. Dittmer betonte, dass weltweit bislang noch kein eindeutiger Fall bekannt sei, bei dem ein genesener Patient erneut mit dem Sars-CoV-2-Virus infiziert wurde. Dies würde ebenfalls für eine anhaltende Immunität sprechen.
In den vergangenen Wochen waren Untersuchungen bekannt geworden, die die Hoffnung auf eine lang anhaltende Immunität und damit auch auf eine lange Wirksamkeit einer möglichen Impfung gedämpft hatten. So hatten Bluttests der ersten Corona-Patienten in Deutschland, die Ende Januar in der München Klinik Schwabing behandelt wurden, in einigen Fällen ein deutliches Absinken der Anzahl von sogenannten neutralisierenden Antikörpern im Blut gezeigt.
Insbesondere nach ermutigenden Zwischenergebnissen mit ersten Corona-Impfstoffen sehen viele Forscher darin dennoch die stärkste künftige Waffe gegen die Krankheit. »Die einzige Illusion, die man nehmen muss, ist, dass eine Impfung gegen Covid-19 ein Leben lang hält«, sagte Clemens Wendtner, Chefarzt der Klinik für Infektiologie in der München Klinik Schwabing. »Es könnte auch bei einem Covid-19-Impfstoff sein, dass man wie bei der Influenza-Schutzimpfung regelmäßig wieder geimpft werden muss.« Es sei nicht ungewöhnlich, dass Impfungen nicht jahrelang hielten, sondern regelmäßig aufgefrischt werden müssten.
»Man sollte sehen, was eine Impfung für uns alle bewirken kann«, sagte Wendtner. Auch nach den ermutigenden Zwischenergebnissen bei der Impfstoffsuche erwarteten Experten einen in der Breite einsetzbaren und zugelassenen Impfstoff frühestens im Lauf des kommenden Jahres. »Es ist also auch weiterhin Geduld und Verständnis für die wichtigen Schutzmaßnahmen eines jeden Einzelnen gefragt.«
Chinesische Forscher hatten im Fachblatt »Nature Medicine« berichtet, dass die Antikörper nach zwei Monaten vor allem bei Patienten mit symptomfreiem Verlauf stark zurückgingen, aber auch bei tatsächlich erkrankten Patienten fielen die Werte. Patienten mit wenig Symptomen hatten zudem weniger Antikörper und somit eine schwächere Immunantwort entwickelt. Symptomfreie Patienten wurden in der neuen Studie aus Essen/Wuhan allerdings nicht untersucht. (dpa)