REUTLINGEN. So wie hunderttausende Jugendliche in mehr als 100 Staaten der Erde treibt auch in Reutlingen die Angst vor den dramatischen Folgen der Erderwärmung die jungen Menschen auf die Straße. Die Demo beginnt mit einer Kundgebung auf dem Marktplatz, bei der schon klar wird: diesmal machen nicht 100 mit, wie bei der zweiten Klimademo, sondern erheblich mehr. Über 700 Jugendliche werden es wohl gewesen sein. Ihnen allen spricht Noah Maurer als einer der Organisatoren der Veranstaltung aus dem Herzen.
»Anstatt die Schulbank zu drücken, sind wir heute auf den Straßen, um für unsere Zukunft zu kämpfen«, sagt Maurer als Ex-Schüler des Friedrich-List-Gymnasiums und Ex-Jugendgemeinderat. Beifall und gellende Rufe »wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut«. Ihr, das sind die Erwachsenen.
»Wir haben das Gefühl auf einen Abgrund zu zu rasen und wir bekommen Angst dabei zusehen zu müssen, wie die Erwachsenen trotz aller Warnsignale nicht auf die Notbremse drücken. Macht endlich die Augen auf und schaut der Wahrheit ins Gesicht«, fordert Noah Maurer im Sinn der Menge vor und hinter ihm. Mittendrin auch zwei prominente Gesichter.
Cindy Holmberg (Grüne) und Reutlingens zukünftiger OB Thomas Keck (SPD) sind gemeinsam unter einem Regenschirm stehend bei der dritten Klimademo dabei. Ihre Gesichter verheißen wohlwollende Zustimmung. Darauf geht Redner Maurer mit jugendlicher Direktheit umgehend ein: »Die Städte sind die Zellen unserer globalen Zivilisation. Jede Zelle muß ihren Beitrag dazu leisten, dass sich unser Körper - der Planet Erde - von seinem Fieber erholt«. Deswegen müsse auch Reutlingen zu einer klimaneutral lebenden Stadt werden. Direkt an den frisch gewählten Oberbürgermeister gerichtet sagt Noah Maurer: »Herr Keck, ihr Wahlspruch Keck Kann's muss zu einer Verpflichtung werden. Eine Verpflichtung gegenüber denen, die hier und heute hier stehen«. Hundertfach ertönt auf dem Marktplatz dann die Forderung: »Keck kann klimaneutral bis 2040«. Der Angesprochene lächelt freundlich.
Ebenfalls dabei ist Moritz Stiepert als Regionssekretär des Deutschen Gewerkschaftsbundes. »Wir unterstützen die Fridays for Future-Bewegung«, meint der Arbeitnehmervertreter, »aber wir sind für eine ebenso ökologische wie soziale Transformation«. Es müsse nach einem Wandel hin zu mehr Klimaschutz auch noch Jobs geben.
In einem langen und freundlich laut unüberhörbaren Demozug geht es abschließend einmal die Wilhelmstraße runter, und die Metzgerstraße wieder rauf. Fast scheint es dabei, als ob irgendein höheres Wesen Gefallen an der Klimademo findet: es hört auf zu regnen.(GEA)