REUTLINGEN. Fiebersäfte für Kinder sind derzeit Mangelware. Bundesweit klagen Apotheker über Lieferengpässe. Das betrifft sowohl die Substanzen mit dem Wirkstoff Paracetamol, als auch die mit Ibuprofen. Eine GEA-Recherche zeigt: Apotheken in Reutlingen und in der Region Neckar-Alb sind keine Ausnahme. Auch hier ist die Not groß.
»Normalerweise bestellt man die Medikamente über den pharmazeutischen Großhandel. Da bekommt man derzeit aber gar nichts«, sagt Apothekerin Lisa Wellhäuser. Einziger Weg sei direkt beim Hersteller nachzufragen. »Der Chef hat dort früh bestellt«, deshalb sei Ibuprofensaft in der Albtorapotheke und in der Marktapotheke in Reutlingen vorrätig. Anders sieht es beim Paracetamolsaft aus. Der gelte als Goldstandard, sei momentan aber überhaupt nicht zu bekommen.
Zäpfchen als Alternative
In der Pharmaphant Apotheke am Europaplatz in Tübingen gibt es aktuell keinen Fiebersaft. »Weder Paracetamolsaft, noch Ibuprofensaft«, sagt Apothekerin Brigitte Lorenzoni. Gleiches Bild in der Metzinger Adler-Apotheke: Dort war Stand Montag ebenfalls kein Fiebersaft mehr auf Vorrat. Bestellen könne man nur noch bei Ratiopharm, andere Hersteller seien im Moment gar nicht gelistet, gibt ein Apotheker Auskunft.
Trotz der eingeschränkten Verfügbarkeit der Medikamente, müssen Eltern keine Angst haben. Kindern kann im Krankheitsfall trotzdem geholfen werden. »Wenn wir keinen Fiebersaft mehr haben, kann man alternativ auf Zäpfchen umsteigen«, sagt Lisa Wellhäuser. Die seien sogar schneller wirksam, die Applikationsform sei aber nicht so beliebt, gerade bei älteren Kindern.
Eigenproduktion ist teuer
Vereinzelte Apotheken gehen deshalb einen ganz anderen Weg. Sie stellen die rare Flüssigkeit einfach selbst her, so etwa die Goethe-Apotheke in Ettlingen. Wie der SWR berichtet, erfolgt die Zubereitung streng nach Rezept. Der Nachteil: Die eigens produzierten Präparate sind im Kühlschrank nur wenige Wochen haltbar. Außerdem schmecken sie nicht so gut wie die Industrieprodukte und können auch mit deren Preis nicht mithalten.
Fiebersaft Marke Eigenbau kommt für die Reutlinger Albtor- und Marktapotheke aus diesen Gründen aktuell nicht infrage. Hinzukommt, dass auch die Rohstoffe dafür Mangelware sind, beispielsweise Paracetamol. »Tabletten zerkleinern würde vielleicht auch gehen. Da es den Ibuprofensaft aber noch gibt, machen wir das nicht«, sagt Lisa Wellhäuser.
Auch in der Tübinger Apotheke am Europaplatz gibt es »noch keine konkreten Pläne« für eine Eigenproduktion. Für die Adler Apotheke in Metzingen ist hingegen klar: »Wenn die Medikamentenknappheit bis in den Herbst und Winter besteht, muss irgendwie selbst produziert werden.« Allerdings sei es nicht einfach an die dafür benötigten Materialien zu kommen. Was genau die Ursache für die Knappheit ist, kann er nicht sagen.
Bedarf stark gestiegen
Für Aufklärung sorgt das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Nach umfangreichen Recherchen und Prüfungen komme man zu dem Schluss, dass neben dem Rückzug eines großen Herstellers auch auf eine Verteilproblematik schuld an den Engpässen von Paracetamolsaft und Ibuprofensaft sei. »In 2022 ist der Bedarf an den betroffenen Arzneimitteln zudem überproportional gestiegen«, schreibt die Behörde auf ihrer Website. Die Ursachen hierfür seien bislang nicht befriedigend ermittelt worden. (GEA)