REUTLINGEN. »Schrecklich«, sagt Götz Wellhäuser-Frank als Mesner der Marienkirche Reutlingen beim Anblick der Bilder der brennenden Notre-Dame in Paris. Könnte das zwischen 1247 und 1343 erbaute Reutlinger Gotteshaus auch so lichterloh in Flammen stehen? Auf den ersten Blick scheint der Sakralbau an der Wilhelmstraße ähnlich gefährdet wie die Kathedrale: Sehr alt, hölzerne Bänke, Windfänge aus Holz hinter den Eingangstüren und natürlich eine hölzerne Orgel. Doch der Schein trügt.
»Die Brandlast ist gering«, erklärt Wellhäuser-Frank. Überwiegend ist das Reutlinger Wahrzeichen aus Sandstein erbaut. Weit über den Köpfen der Gläubigen thront eine vergleichweise moderne Konstruktion. »Das Dachgebälk über dem Hauptschiff ist seit der Dolmetsch-Renovierung im 19 Jahrhundert aus Stahl. Nur in den Spitzdächern der Seitentürme ist Holz drin«, verrät der Mesner. Dazu kommt eine moderne Brandmeldeanlage.
Überall in der Marienkirche sind Brand- und Rauchmelder installiert. Direkt hinter dem Eingang liegt verborgen die Brandmeldezentrale. Im Ernstfall würde ein Brandalarm direkt über eine Standleitung bei der Feuerwehr Reutlingen ausgelöst werden. Schneller geht's nicht.
Eine Sprinkleranlage besitzt die Marienkirche nicht. Dafür zeigt der Mesner aber gerne »Feuerlöscher so ungefähr in jeder Ecke«, sprich vom Keller bis ganz oben bei der Orgel. Im Aufgang zum Dachboden hängen nicht nur Verbotsschilder mit der Aufschrift »Rauchen ist polizeilich verboten«, sondern auch weitere Brandmelder. Was sagen die Profis von der Feuerwehr?
Reutlingens Feuerwehrkommandant Harald Herrmann beschreibt die Marienkirche als »besondere Herausforderung für die Einsatzkräfte - alleine schon wegen ihrer Größe«. So kommt die Drehleiter mit maximal 26 Metern gerade bis zum Hauptschiff hoch, »und unsere Hubarbeitsbühne erreicht mit 42 Metern das Glockengeschoss«. Deswegen seien umfangreiche Vorsorgemaßnahmen getroffen worden. »Wir haben die Brandmeldeanlage und eine Abschottung zwischen Turm und Hauptschiff. Ein Brand kann sich nicht von einem Bereich auf den anderen ausbreiten. Natürlich nur gemeinsam mit dem Einsatz der Feuerwehr«, sagt Herrmann. Alles in allem ist der Feuerwehrkommandant zuversichtlich: »Ich denke, wir sind mit der Marienkirche gut unterwegs«. Ähnlich sieht das auch Mesner Wellhäuser-Frank.
»Ich glaube nicht, dass hier etwas groß brennen kann«, hofft Götz Wellhäuser-Frank angesichts der ganzen Vorsorgemaßnahmen, »es sei denn, jemand hat böse Absichten«. Besonders aufpassen müsse man natürlich immer dann, wenn Handwerker in der Kirche arbeiten, meint er mit Blick auf die mutmaßliche Brandursache des katastrophalen Feuers in Paris. Was »seine« Marienkirche angeht, liegt der letzte Großbrand weit in der Vergangenheit: Beim Stadtbrand 1726 wurde auch das Gotteshaus schwer beschädigt. (GEA)