STUTTGART. In den Monaten der Corona-Krise ist die Zahl der Bedürftigen bei den Tafeln in Baden-Württemberg gestiegen. »Auf einmal kommen Menschen, die vorher sich noch nie mit Tafeln auseinandergesetzt haben«, teilte der Landesverband der Tafeln Baden-Württemberg mit. Während aber die Zahl der Kunden gestiegen sei, gehe die Menge der Menschen in den Läden der Tafeln insgesamt zurück, sagte Verbandssprecher Udo Engelhardt.
Er registriere etwa zehn Prozent mehr beantragte Kundenkarten für die Tafeln als im vergangenen Jahr, sagt auch Sven Jaissle, der Leiter der Tafel-Region Neckar-Alb. Darunter seien etwa Betroffene in Kurzarbeit. Gleichzeitig kämen insgesamt weniger Kunden unter anderem wegen der Wartezeiten und auch aus Angst vor einer Infektion. Viele kauften lieber in einem preiswerten Supermarkt in der Nähe ein, weil sie im Discounter schneller einkaufen könnten. Stammkunden schauten jetzt nur noch einmal pro Woche vorbei.
Durch Abstandsregeln stauten sich in einigen Läden die Kundenschlangen bis auf die Straße, sagt Tafel-Sprecher Engelhardt. »Manche fühlen sich wie auf dem Präsentierteller und bleiben deshalb Zuhause«. In normalen Zeiten versuchten Tafeln eigentlich, Menschen vor Blicken von außen zu schützen. Dafür vorgesehene Warteräume seien derzeit aber oft gesperrt. Einigen Kunden reiche der Abstand zudem nicht, sie fürchteten sich vor einer Ansteckung. Es gibt laut Engelhardt aber auch Kunden, denen die Sozialkontakte des Tafelbesuchs fehlen - wegen Corona gibt es weder Austausch noch Plaudereien.
Tafel-Mitarbeiter aus Risikogruppen sind laut Verband in Baden-Württemberg überwiegend gesund durch die Corona-Zeit gekommen. Im Herbst hätten sich drei Mitarbeiter mit dem Virus infiziert. »Mir ist keine Tafel bekannt, wo ein Mitarbeiter ernsthaft erkrankt ist«, sagte Engelhardt. Meist seien Geschäfte kurzfristig dichtgemacht worden. Dem Verband gehören mehr als 145 Tafeln an.
»Natürlich ist die Angst einer Infektion immer gegenwärtig«, sagt Renate Frank, die ehrenamtliche Leiterin der Tafel in Schorndorf (Rems-Murr-Kreis). Anfangs habe es Mitarbeiter gegeben, die Regeln nicht umgesetzt hätten. »Doch inzwischen ist sich jeder des Ernstes der Lage bewusst«, sagt Frank. Die meisten gehörten wegen des hohen Alters zur Risikogruppe und fielen aus. Die Suche nach Ersatz sei aber nicht leicht.
Ein weiteres Problem: es gibt nach Einschätzung von Jaissle weniger Lebensmittel in den Tafeln, weil wegen der geschlossenen Restaurants mehr Menschen im Supermarkt einkauften. Vor allem Obst und Gemüse fehlten. »Wenn Leute Supermärkte leer kaufen, bleibt für die Tafeln nichts übrig«, kritisierte Jaissle. (dpa)