STUTTGART. Der Vorstoß von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) für kürzere Sommerferien, um gezielt Wissenslücken zu schließen, stößt bei Lehrern und beim baden-württembergischen Kultusministerium auf Ablehnung. Eine Sprecherin des Ministeriums von CDU-Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann sagte am Donnerstag, dies sei nicht der richtige Weg, um pandemiebedingte Lerndefizite aufzuholen. »Wir sollten nicht ein Problem lösen, indem wir neue Probleme schaffen.« Auch der Verband Bildung und Erziehung (VBE) sowie die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) kritisierten den Vorschlag.
Kretschmann hält verkürzte Sommerferien für denkbar. »Man könnte an den Ferien ein bisschen was abknapsen, um Unterrichtsstoff nachzuholen«, sagte der Grünen-Regierungschef dem »Mannheimer Morgen« (Donnerstag). Nun sagte er ergänzend, eine zentrale Frage, die man beantworten müsse sei, wie man es schaffe, die Kinder, bei denen sich in der Pandemie Lerndefizite aufgetürmt hätten, dabei zu unterstützen, die Rückstände wieder aufzuholen.
»Das ist eine große Verantwortung und eine gewaltige Aufgabe, die wir vor uns haben. Und auch wenn es vielleicht nicht immer klug ist, als Ministerpräsident laut nachzudenken, ich finde, da darf es auch keine Denkverbote geben.« Kretschmann sagte, er sei offen für Vorschläge und wolle das Gespräch mit allen Beteiligten suchen.
Das Kultusministerium hatte zuvor mitgeteilt, zudem könne ein solcher Vorschlag vermuten lassen, Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte hätten durch die lange Zeit der coronabedingten Schließung bereits genug Ferien gehabt. Schulschließungen bedeuteten aber keine Ferien.
Der Vize-Chef des VBE, Dirk Lederle, sagte: »Es zeigt, wie viel Ahnung der Ministerpräsident von der schulischen Realität hat.« Die Lehrkräfte und die allermeisten Schüler seien hart am Arbeiten, auch in der schulfreien Zeit. Die GEW kritisierte den Vorstoß von Kretschmann als »zu kurz« gedacht. Landeschefin Monika Stein sagte: »Wir brauchen Förderkonzepte mindestens für die nächsten beiden Schuljahre, und damit diese funktionieren, brauchen wir mehr Personal.« Im Juli würden wieder Tausende Bewerberinnen und Bewerber vor allem für Gymnasien keine Stelle erhalten, obwohl sie in den Klassenzimmern aller Schularten dringend gebraucht werden könnten. Kritik kam auch vom Berufsschullehrerverband.
Ralf Scholl vom Philologenverband erklärte, die weiteren Aussagen des Ministerpräsidenten deuteten eher darauf hin, dass er damit zusätzliche, freiwillige Fördermaßnahmen meine. »Fördermaßnahmen, die von Lehrkräften für Schüler auf rein freiwilliger Basis angeboten wurden. Dann ist dieser Vorschlag nachvollziehbar.« Falls Kretschmann mit seiner Äußerung aber testen wollte, wie die Bürger auf eine allgemeine Ferienverkürzung reagierten, so müsse man das wohl als billige Wahlkampfmasche einordnen.
Der Landeselternbeirat forderte eine gezielte Förderung, um Defizite zu beheben. »Man muss aber auch zugeben, dass das vergangene Jahr alle Beteiligten enorm strapaziert hat und nun eine Reduzierung insbesondere der Sommerferien vielleicht nicht das geeignete Mittel ist.« Das Kultusministerium wies ferner darauf hin, dass in den Sommerferien spezielle Förderkurse angeboten würden, damit Schülerinnen und Schüler Wissenslücken schließen und gezielt an Problemen mit dem Schulstoff arbeiten könnten. Bereits im vergangenen Sommer hätten 61 500 von ihnen das Angebot der sogenannten Lernbrücken genutzt. Geprüft werde zudem, ob diese Nachhilfe auf freiwilliger Basis bereits in den Pfingstferien angeboten werden könne.
Der Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz sagte, dass Kultusministerium habe es bisher versäumt, für dieses Jahr ein Programm mit Zusatzangeboten und einer individuellen Förderung der Schüler aufzulegen. Das müsse jetzt zügig erfolgen.
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