Logo
Aktuell Hintergründe

Frust im Iran stärkt Konservative

Schon der Ausstieg der USA aus dem Atomdeal hat die Reformer im Iran um Präsident Ruhani geschwächt - und die Hardliner gestärkt. Die Tötung des Top-Generals Soleimani, der durchlöcherte Atomdeal und der Abschuss einer Passagiermaschine befeuern den Trend nun noch.

Trauerfeier für getöteten Soleimani
Trauerzeremonie für den bei einem US-Angriff getöteten General Soleimani in Teheran. Foto: Khamenei.Ir/ZUMA Wire/dpa
Trauerzeremonie für den bei einem US-Angriff getöteten General Soleimani in Teheran. Foto: Khamenei.Ir/ZUMA Wire/dpa

Teheran (dpa) - Nach der gezielten Tötung des Top-Generals Ghassem Soleimani schien sich ein militärischer Konflikt zwischen dem Iran und den USA anzubahnen - das ist nach wechselseitigen Entspannungssignalen nun vorerst vom Tisch.

In der Islamischen Republik selbst aber wirkt der US-Drohnenangriff noch stark nach. Viele reden weiter von Vergeltung und Blut, Diplomatie ist für manche zum Schimpfwort geworden. Die Hardliner und die erzkonservativen Kräfte, die von Anfang an gegen den Reformkurs von Präsident Hassan Ruhani waren, haben nach sieben Jahren politischer Abwesenheit nun wieder die Oberhand. Bei den Reformern dagegen herrscht Ratlosigkeit.

An diesem Trend dürften auch die spontanen Proteste wenig ändern, die sich nach dem offensichtlich irrtümlichen Abschuss einer Passagiermaschine mit 176 überwiegend iranischen Todesopfern Bahn gebrochen haben. Die Demonstranten empören sich über die dafür verantwortlichen Revolutionsgarden und auch über die Führungsclique des von islamischen Geistlichen gesteuerten Regimes, weil diese den fatalen Abschuss erst nach tagelangem Leugnen einräumten.

Doch die politische Mehrheit in dem Staat mit seinen gut 80 Millionen Einwohnern repräsentieren die wenigen Hundert Demonstranten derzeit nicht. Schon im Februar finden Parlamentswahlen statt, renommierte Reformer sind gar nicht erst angetreten. Beobachter gehen daher von einem klaren Sieg der Reformgegner aus. Eine erwartete Koalition von Hardlinern und Erzkonservativen im Parlament könnte dann auch den Ausgang der Präsidentenwahl im kommenden Jahr stark beeinflussen. Deren Spitzenkandidat, wer immer es wird, gilt schon jetzt als Favorit für den Präsidentenposten. Ein Politologe in Teheran resümiert deshalb: »Das Ziel von (US-Präsident Donald) Trump und seinen Leuten, einen Regimewechsel im Iran zu erzwingen, ist aufgegangen - nur eben in die falsche Richtung.«

Das alles sah nach dem Amtsantritt des Präsidenten Ruhani im Jahr 2013 ganz anders aus. Er versprach eine Versöhnung mit dem Westen und setzte zwei Jahre später dieses Versprechen mit dem Wiener Atomabkommen auch um. Politisch und wirtschaftlich war der Gottesstaat auf dem Weg, sich international wieder zu integrieren. Auch innenpolitisch sollte sich vieles ändern, besonders nach dem guten Abschneiden der Reformer bei der Parlamentswahl 2016. Sogar politische Gefangene sollten frei kommen und mehr Meinungs- und Pressefreiheit zugelassen werden.

»Aber dann kam dieser Trump«, sagt der ehemalige iranische Botschafter in Berlin, Ali Madshedi, heute im Rückblick. Erst veranlasste der Republikaner den einseitigen Ausstieg Amerikas aus dem Atomdeal, dann drakonische Sanktionen. Das ölreiche Land geriet plötzlich in eine schwere politische und wirtschaftliche Krise, die Währung war in kürzester Zeit nur noch die Hälfte wert. Der moderate Kurs des Präsidenten wurde schnell von Kritikern verspottet - und auch von eigenen Anhängern.

Schlecht steht es auch um den über Jahre ausgetüftelten Atomdeal, der den Iran von Atomwaffen fernhalten und dem Land wirtschaftliche Entwicklung garantieren sollte. Er war der ganze Stolz Ruhanis und seines Chefdiplomaten Mohammed Dschawad Sarif. Nach der Abkehr der USA und der jüngsten Eskalation will sich der Iran nun nicht mehr an die technischen Auflagen halten, vor allem nicht an die Begrenzung der Urananreicherung. »Der Deal ist quasi auf der Intensivstation«, sagt Vizeaußenminister Abbas Araghchi. In der Tat existiert das Abkommen nur noch auf dem Papier. Die verbliebenen Partner - China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Russland - unterstützen zwar den Deal, sind aber ohne die USA nicht in der Lage, ihn umzusetzen. »Mit politischer Unterstützung alleine können wir uns ja nichts kaufen«, begründet Ruhani den de-facto-Ausstieg.

Für Enttäuschung sorgte am Wochenende nun auch das für viele überraschende Eingeständnis, dass der Iran für den Abschuss der ukrainischen Passagiermaschine verantwortlich ist. Die Iraner fühlen sich von Ruhanis Regierung betrogen, weil die tagelang über einen technischen Defekt sprach und einen Abschuss vehement abstritt. »Glaubwürdigkeit hat mit dieser Regierung keine Bedeutung mehr«, schrieb ein wütender Iraner auf Twitter.

Der Politologe sieht angesichts der über Jahre angestauten Enttäuschung die konservativen Kräfte am Zug. »Der Frust der Iraner wird sich schon nächsten Monat zeigen«, prophezeit er. Zwar dürften an der Parlamentswahl am 21. Februar laut Umfragen nur rund 20 Prozent der Bürger teilnehmen, die aber kommen wahrscheinlich hauptsächlich aus dem Lager der Hardliner. Viele, die auf grundlegende Veränderung hoffen, dürften zuhause bleiben. »Wenn sich nur Gesichter ändern und nicht die Politik - wieso soll ich da noch wählen gehen?«, fragt etwa der Student Farsin aus Teheran.

Webportal des iranischen Parlaments, Persisch