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Welche Rolle die EU im Iran-Konflikt spielen kann

Bedauern, Mahnen, Bitten: Die EU versucht es im Iran-Konflikt einmal mehr mit den Mitteln der Diplomatie. Dabei wollte Ursula von der Leyen den Europäern doch mehr Gewicht auf der Weltbühne verleihen.

Ursula von der Leyen
Ursula von der Leyen (CDU), Präsidentin der Europäischen Kommission. Foto: Virginia Mayo/AP/dpa
Ursula von der Leyen (CDU), Präsidentin der Europäischen Kommission. Foto: Virginia Mayo/AP/dpa

Brüssel/Berlin (dpa) - Europa soll die »Sprache der Macht« lernen und auf der Weltbühne endlich ernst genommen werden - so hat es sich Ursula von der Leyen für ihre »geopolitische« EU-Kommission vorgenommen. Doch beim Konflikt im Nahen Osten scheint die EU wieder nur Zaungast zu sein.

Die bislang konkretesten Schritte: Am Mittwoch gab es wegen der Zuspitzung im Irak und im Iran eine Sondersitzung aller EU-Kommissare, am Freitag versammeln sich die EU-Außenminister zum Krisentreffen.

Der erste Härtetest für von der Leyen kommt zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Vergangene Woche töteten die USA den iranischen Top-General Ghassem Soleimani. In der Nacht zum Mittwoch dann der iranische Racheakt: Teheran griff zwei vom US-Militär genutzte Stützpunkte im Irak an. Auf den Straßen des Iran herrschen Wut und Hass gegen die USA. Und am Mittwoch rief US-Präsident Donald Trump Deutschland, Frankreich, Großbritannien und die anderen beteiligten Staaten schließlich dazu auf, nicht mehr am Atomabkommen mit dem Iran festzuhalten.

Während all dies geschieht, ist von der Leyens Kommission gerade mal fünf Wochen im Amt. Bis zum Montag waren die EU-Institutionen noch in der Winterpause. Und so dauerte es fast vier Tage, ehe von der Leyen sich zu den Ereignissen äußerte - und klarmachte, dass dem Iran nahe stehende Kräfte für die Krise verantwortlich seien. Am Mittwoch forderte sie schließlich: »Der Gebrauch von Waffen muss jetzt aufhören, um Raum für Dialog zu schaffen.« Die EU könne zur Deeskalation auf ihre ganz eigene Weise beitragen, weil man bewährte Beziehungen zu vielen Akteuren in der Region und darüber hinaus habe.

Während die Situation also zu eskalieren droht, versucht Europa es mit den Mitteln der Diplomatie. Der Außenbeauftragte Josep Borrell führt Gespräche mit allen Seiten - unter anderem mit dem iranischen Außenminister Mohammed Dschwad Sarif. Anschließend schrieb Borrell in einem Brief an die EU-Außenminister, der der dpa vorliegt, Sarif habe ihm zugesichert, der Iran bekenne sich zum Atomabkommen. Wenig später gab die Regierung in Teheran bekannt, sich künftig auch über die letzten Beschränkungen des Abkommens von 2015 hinwegzusetzen.

Mit Kritik an den USA halten sich alle Beteiligten in Europa zurück - von der Nato über die EU-Kommission bis zu den Regierungen in Paris, London und Berlin. Am deutlichsten wurde noch Außenminister Heiko Maas, der Teile von Trumps Verhalten als »nicht sehr hilfreich« bezeichnete. Und EU-Ratschef Charles Michel widersprach Trump am Donnerstag recht offen, indem er klarstellte, dass das Atomabkommen nach wie vor eine wichtige Errungenschaft sei.

Deutschland setzt wie die EU traditionell auf Diplomatie. »Es gibt keine militärische Lösung für diesen Konflikt« - wie ein Mantra wird dieser Satz im politischen Berlin wiederholt. So auch diesmal.

Tatsächlich gab es in den vergangenen Jahren aber kaum noch eine Situation, bei der die Wahl zwischen militärischer und politischer Lösung auf dem Tisch gelegen hätte. Eine zunehmende Zahl internationaler Akteure bedient sich stattdessen beider Mittel gleichzeitig oder abwechselnd, zunehmend ohne Rücksicht auf Spielregeln der Weltgemeinschaft und oftmals viel weiter ins Risiko gehend, als man es in europäischen Demokratien vertreten kann und will. In Syrien, in Libyen und nun womöglich auch im Konflikt zwischen dem Iran und den USA werden Tatsachen geschaffen.

Der Forderung, deutsche Soldaten schnell aus dem Irak abzzuziehen, hat die Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer am Donnesrtag nach einer Sondersitzung des Verteidgungsausschusses widersprochen. Im November hatte sie gefordert, Deutschland müsse auch zu einer Rolle als »Gestaltungsmacht« bereit sein und zu Fragen, die strategische Interessen beträfen, eine eigene Haltung entwickeln. Wenn nötig, müsse das Spektrum militärischer Mittel zusammen mit den Verbündeten ausgeschöpft werden. Auch dies: bisher nur Ankündigungen.

Und welche Mittel hätte die EU im Konflikt zwischen den USA und dem Iran? Zumindest könnte die Staatengemeinschaft schneller reagieren, meint ein EU-Diplomat. »Warum treffen sich die Außenminister nicht schneller?«, fragt er. »Das wäre ein Signal.« Auch die erhoffte Wirkung der von Frankreich, Deutschland und Großbritannien gegründeten Handelsgesellschaft Instex, die europäischen Firmen trotz US-Sanktionen Geschäfte mit dem Iran ermöglichen soll, ist bislang nicht eingetreten.

Grünen-Europapolitiker Reinhard Bütikofer macht jedoch klar, dass der Fehler in den einzelnen Hauptstädten liege. Bislang beteiligten sich nur neun europäische Länder an Instex. Diese Zögerlichkeit führe nicht dazu, dass Unternehmen sich ermutigt fühlten, Geschäfte im Iran zu machen. »Ich habe nicht den Eindruck, als würden die Europäer ihre Verantwortung aus dem Atomabkommen ernstnehmen«, sagte Bütikofer.

Nach Ansicht des früheren deutschen Botschafters im Iran, Bernd Erbel, ist es den Europäern auch zuvor schon nicht gelungen, die Verpflichtungen aus dem Atomabkommen zu erfüllen. »Das heißt, Iran hat keinerlei Vorteile aus dem Atomabkommen«, sagte Erbel im Deutschlandfunk. Teheran hatte sich vom Atomdeal einen Aufschwung der Wirtschaft erwartet - dieser blieb jedoch weitgehend aus.

Als Test für von der Leyen und ihre geopolitische Kommission will der EU-Diplomat die aktuellen Ereignisse noch nicht bewerten. Dazu sei sie zu kurz im Amt. Zudem betont er, dass die EU bei Konflikten immer schon Beschwichtiger gewesen sei. Sobald es militärisch werde, habe die Staatengemeinschaft keinen Hebel. Auch Bütikofer betont, von der Leyen habe angekündigt, Weltpolitikfähigkeit zu entwickeln. »Von jetzt auf gleich geht gar nichts.«

Statenment von der Leyens zur Iran-Krise

DLF-Interview mit dem früheren Botschafter Erbel