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Abzug nach Jordanien: Bundeswehr zieht im Irak Konsequenzen

Plötzlich musste es schnell gehen: Über Nacht hat die Bundeswehr ihre Männer und Frauen aus dem Zentralirak herausgeholt. Ob dies auf Zeit passiert oder der Kampf gegen die Terrormiliz IS neu strukturiert werden muss, wird sich erst noch zeigen.

Bundeswehreinsatz im Irak
Die Bundeswehr bildet im Nordirak kurdische Peschmerga aus - dieser Einsatz geht vorerst weiter. Foto: Michael Kappeler/dpa
Die Bundeswehr bildet im Nordirak kurdische Peschmerga aus - dieser Einsatz geht vorerst weiter. Foto: Michael Kappeler/dpa

Berlin/Washington (dpa) - Luftwaffenbasis Al-Asrak in Jordanien, 07.55 Uhr Ortszeit: Ein Transportflugzeug der Bundeswehr bringt am Dienstag 32 deutsche Soldaten aus ihrem Einsatz im Zentralirak auf die von Deutschland genutzte Militärbasis östlich von Amman.

Die Soldaten werden mit dem, was sie mitnehmen können, in Sicherheit gebracht. Ein Teil der Ausrüstung, die für das Training irakischer Kräfte genutzt wurde, bleibt im Militärkomplex Tadschi zurück. »Diese Kräfte können jederzeit zurückverlegt werden, wenn die Ausbildung im Irak wieder aufgenommen werden soll«, teilte die Bundeswehr dazu mit.

Der tödliche US-Drohnenangriff auf den iranischen General Ghassem Soleimani in Bagdad hat die Lage in dem Land geändert. Möglicherweise ist der Partnerschaft mit dem Irak im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) nun sogar die Grundlage entzogen. Die Sicherheitslage ist höchst angespannt: Nicht nur wegen des großen iranischen Einflusses, sondern auch wegen der 5000 US-Soldaten im Land bietet sich der Irak womöglich für einen iranischen Vergeltungsschlag gegen die USA an.

Auch im Hauptquartier der Anti-IS-Koalition (»Operation Inherent Resolve«) wurden Konsequenzen gezogen. Am Sonntag war von dort eine mündliche Weisung des Kommandeurs ergangen: Alles Personal, das für den Einsatz nicht unbedingt benötigt wird, solle den Großraum Bagdad verlassen.

Angesichts der jüngsten Spannungen wurde die Ausbildungshilfe im Kampf gegen den IS ausgesetzt. »Unsere oberste Priorität ist es, das Personal des Bündnisses zu schützen, das sich dem Sieg über den Islamischen Staat widmet«, wurde dazu öffentlich mitgeteilt. Die Mission konzentriere sich nun auf den Schutz der Stützpunkte, auf denen Koalitionstruppen untergebracht seien.

Bereits am Montag wurden drei deutsche Soldaten, aber auch Militär anderer Nationen nach Kuwait ausgeflogen. Dort steht ein Ersatz-Hauptquartier für den Einsatz, das nun personell aufgestockt und gestärkt wird. Ob dies schon die künftige Führungsstruktur im Kampf gegen den IS vorwegnimmt, muss sich erst noch zeigen. Immerhin: Insgesamt die Hälfte des Personals wurde aus dem Hauptquartier in Bagdad nach Kuwait verlagert, wie Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer auf der Klausurtagung der CSU-Landesgruppe im oberbayerischen Kloster Seeon sagt. Zum Schutz der Soldaten verlegte auch die Nato einen Teil ihrer Soldaten an andere Orte im Irak oder außer Landes, wie ein Sprecher in Brüssel sagte.

Die Bundesregierung wirbt aber in Bagdad um Zustimmung für die Fortsetzung der Anti-IS-Mission. Nötig seien ein weiterer internationaler Einsatz im Kampf gegen den IS und die Stärkung der zivilen und militärischen Strukturen im Irak, schreiben Kramp-Karrenbauer und Außenminister Heiko Maas (SPD) den Obleuten der Parteien im Bundestag. Anschläge des IS im Irak in den vergangenen Tagen zeigten, »dass der Kampf noch nicht entschieden ist«. Und: »Hier liegt ein wichtiges deutsches und europäisches Sicherheitsinteresse, das durch die jüngste Destabilisierung der Region an Bedeutung gewonnen hat.«

Noch fliegen auch die Tornado-Aufklärer im Luftraum über Syrien und dem Irak. Ihr Einsatz soll aber dem Mandat zufolge Ende März sowieso eingestellt werden. So richtet sich der Blick auf Erbil im nordirakischen Kurdengebiet. Dort sind 117 deutsche Soldaten (Stand Montagabend), nachdem ein laufender Kontingentwechsel kurzfristig ausgesetzt worden war.

Die irakischen Kurden haben sich im Kampf gegen den IS als ein verlässlicher Verbündeter erwiesen und streben nach einer langfristigen Partnerschaft. Die Sicherheitslage gilt in den Kurdengebieten als weitgehend stabil. So könnten gegen eine Fortsetzung des Einsatzes vor allem politische Gründe sprechen, weil man den Irak als ein Staatsgebiet betrachten kann.

»Die Kurden haben einen wesentlichen Anteil am Erfolg im Kampf gegen den IS. Unsere Hilfe und Solidarität soll ihnen sicher sein«, fordert die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Die Verlegung aus dem Zentralirak sei angesichts der Lage dagegen richtig.

Auch Washington gibt sich dem Kampf gegen den IS weiter verpflichtet. Darauf sei langfristig die Präsenz der US-Truppen in dem Land ausgerichtet, nur müsse man sich angesichts der derzeitigen Bedrohungslage auf den Schutz des Personals konzentrieren, sagt US-Verteidigungsminister Mark Esper am Montag. Zuvor hatte sich in die ohnehin unübersichtliche Gemengelage allerdings ein ominöser Brief an das irakische Verteidigungsministerium gemischt - über einen angeblichen Abzug der US-Truppen. Die Aufregung ist sofort groß.

»Der Brief steht nicht im Einklang mit dem, wo wir uns gerade befinden«, stellt Esper klar und zeigt sich völlig unwissend über das Schreiben. »Es gibt keine Entscheidung, zu gehen, noch haben wir Pläne veröffentlicht, zu gehen, oder vorbereitet, zu gehen.«

Bundeswehr zu Syrien, Irak, Jordanien

Operation Inherent Resolve, Mitteilung vom 5. Januar

Aussagen Esper 06. Januar