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Wie kann die Reutlinger Innenstadt gerettet werden?

Zu hohe Parkgebühren, zu wenig Grün, zu viele Ramsch-Läden, zu wenig Niveau: Auf diese Formel lässt sich bringen, was GEA-Leser an Reutlingen als Einkaufsstadt zu kritisieren haben. Im Folgenden ein bunter Strauß interessanter Anregungen und Beobachtungen

Jenseits von Markttagen wirken die Passanten auf dem Reutlinger Marktplatz oft schon ein bissle verloren.
Jenseits von Markttagen wirken die Passanten auf dem Reutlinger Marktplatz oft schon ein bissle verloren. Foto: Frank Pieth
Jenseits von Markttagen wirken die Passanten auf dem Reutlinger Marktplatz oft schon ein bissle verloren.
Foto: Frank Pieth

REUTLINGEN. Attraktiv geht anders. Darin sind sich sämtliche am Leser-Forum zum Thema Innenstadt einig. Zwar gibt es Stimmen, die die Reutlinger City für »noch in Ordnung« halten. Das Gros der Forums-Teilnehmer sieht indes dringenden Optimierungsbedarf. Im Folgenden einige Statements.

Marius Lehmann, Rottenburg: Bindungen fehlen

»Für mich«, so Marius Lehmann, »stehen und fallen gelingende Innenstädte mit den Eigentümern der Häuser. Deren einstige Erbauer sind oft tot, und die Erben der Immobilien wohnen längst nicht mehr am Platze. Sie haben keine emotionale Bindung mehr.« Das, meint der Rottenburger, zeitige negative Folgen. »Die Immobilienbesitzer interessieren sich nicht dafür, was um und in ihren Häusern geschieht. Die wollen Geld sehen. Der Rest ist ihnen, glaube ich, ziemlich egal.« Anders könne sich Lehmann jedenfalls nicht vorstellen, wie es sein kann, dass »überall Nagelstudios und Barber-Shops eröffnet werden, die in ihrer Masse dem Flair einer Altstadt abträglich sind«.

Künftig im Leserbriefteil

Die Mailbox ist geleert und sämtliche Forumsbeiträge, die den GEA bislang erreicht haben, sind mit dieser Folge redaktionell aufgearbeitet. Deshalb endet die Meinungserhebung zum Thema Innenstadt. Wer sich dennoch äußern möchte, kann dies ab sofort gerne auf den Leserbriefseiten tun. (GEA)

leserbriefe@gea.de

Marc Röder, Reutlingen: Das Zentrum ist besser als sein Ruf

»Grundsätzlich«, schreibt Marc Röder, »muss man sagen, dass das Reutlinger Zentrum besser ist als sein Ruf. Wir dürfen uns beispielsweise nicht mit Tübingen vergleichen. Der Neckar und die vielen historischen Bauten stellen einen großen Unterschied zu und Vorteil gegenüber Reutlingen dar. «

Verbessern, so Röder weiter, lasse sich allerdings immer etwas. Es müsse sich freilich um ein tragfähiges, nachhaltiges und langfristiges Konzept handeln: »mit einem vernünftigen Kosten-Nutzen-Faktor«. Im Speziellen wünscht sich der Reutlinger Folgendes: »Eine Anbindung der Obere Wässere an die Wilhelm- und Metzgerstraße durch eine fußgängerfreundliche Querung am Albtorplatz. Dies einhergehend mit der Fertigstellung der Oberen Wässere nebst Wegfall des Parkplatzes vor dem Alnatura-Eingang und Schaffung von Grünfläche und Sitzgelegenheiten beziehungsweise Außengastronomie.«

»Um das Dauerthema 'kein Leben um und vor der Stadthalle' zu beenden, wünsche ich mir ein Café/Bistro direkt gelegen an der Echaz mit Terrasse über der selbigen. Dieses Café wäre auch das Bindeglied zwischen der Stadthalle/Mitte/ZOB und Pomologie respektive dem Volkspark – zu Erreichen über einen neuen Steg. Dies natürlich auch zur Sicherheit der Schüler und Fußgänger mit Kinderwagen, Rollstuhl und, und, und. Um Volkspark und Pomologie mehr Bedeutung und Attraktivität zu verleihen, würde ich dort regelmäßige, kostenfreie Musikevents mit Bewirtung begrüßen.«

Um die Attraktivität und Wertigkeit von Reutlingen zu steigern, müssten aus Röders Sicht unbedingt die maroden Gebäude am ZOB sowie der Bahnhof renoviert und der Listplatz verschönert werden: »am besten mit einem überdachten Radabstellplatz und einer Anbindung an das zu verbessernde Radwegenetz. Attraktive Mieten sind nötig, damit wieder mehr inhabergeführte Geschäfte die Leerstände auffüllen«.

»Das Etablieren von Stadtfest, Weindorf und Weihnachtsmarkt (allerdings nur bis Weihnachten, nicht länger) bringt Leute aus dem Umland in die Stadt. Spezielle Events mit Produkten und Dienstleistungen aus dem Biosphären-Gebiet verstärken diesen Effekt. Zum Wohlfühlen ist eine saisonale und dauerhafte Begrünung des Fußgängerbereichs wünschenswert.«

»Um für ein qualitativ hochwertiges Einkaufserlebnis zu sorgen, muss ein Ausufern von Ramschläden, Friseurgeschäften und Nagelstudios über eine Reglementierung unterbunden werden.« (…)

Die Metzgerei Zeeb hat zwischenzeitlich zwei ihrer Innenstadt-Filialen geschlossen.
Die Metzgerei Zeeb hat zwischenzeitlich zwei ihrer Innenstadt-Filialen geschlossen. Foto: Frank Pieth
Die Metzgerei Zeeb hat zwischenzeitlich zwei ihrer Innenstadt-Filialen geschlossen.
Foto: Frank Pieth

Renate Schmidt, Reutlingen: Nicht nachtrauern, sondern Neues wagen

»Nicht dem Verlorenen hinterhertrauern, sondern Neues wagen«, so lautet für Renate Schmidt die Erfolgsformel für die Reutlinger Innenstadt. »Die Zeiten großer Warenhäuser oder Modeketten sind meines Erachtens vorbei.« Stattdessen gebe es nach Beobachtung der Reutlingerin einen Trend hin zu »kleineren Shops und Einkaufeinheiten mit Dingen, die man nicht so ohne Weiteres anderswo bekommt.« Der Reutlinger »Handfest-Laden« ist für Schmidt diesbezüglich ein »Hoffnungsträger«. Mehr solcher Geschäfte würden der City gut zu Gesicht stehen, ist sie überzeugt.

»Außerdem muss man unterscheiden zwischen Reutlingern und Touristen beziehungsweise Tagesgästen.« Denn die Bedürfnisse dieser beiden Gruppen seien unterschiedlich. »Die Einheimischen benötigen Waren des täglichen Bedarfs, die anderen kaufen eher Schnickschnack oder Mitbringsel, die typisch für die Region sind. Hier einen vernünftigen Kompromiss zu finden, halte ich für richtungsweisend.«

Ein Blumenkübel allein schafft noch keine Wohlfühlatmosphäre oder Aufenthaltsqualität.
Ein Blumenkübel allein schafft noch keine Wohlfühlatmosphäre oder Aufenthaltsqualität. Foto: Frank Pieth
Ein Blumenkübel allein schafft noch keine Wohlfühlatmosphäre oder Aufenthaltsqualität.
Foto: Frank Pieth

Eve Grünupp, Reutlingen: Klagen über happige Parkgebühren

Eve Grünupp war Zweigstellenleiterin der seit September 2023 geschlossenen Gerry-Weber-Dependance in der Wilhelmstraße. »Die Filiale in Reutlingen«, verrät sie, »lief sehr gut. Unser Einzugsgebiet erstreckte sich von der Schwäbischen Alb und Stuttgart bis hin zur Ulmer Gegend.« Allerdings habe die Kundschaft über happige Parkgebühren in der Achalmstadt geklagt. Sie wurden »von unserer hauptsächlich älteren Kundschaft stark bemängelt. Und wenn man die Parkzeit überschritten hatte, hagelte es prompt saftige Bußgeldbescheide.«

Die Kunden seien deshalb oft unter Druck gestanden. In der Oberen Wilhelmstraße hätten sie sich zwar wohl gefühlt, nicht aber auf deren unteren Abschnitt. Auch die Metzgerstraße sei, wie Grünupp aufvertraut wurde, von vielen als »unheimlicher« Ort empfunden worden – unter anderem deshalb, weil dort »kaum noch deutsch gesprochen« werde.

Für sich selbst wünscht sich die GEA-Leserin »mehr Grün und viele bunte Blumen sowie eine lebendige Stadt mit wechselnden Künstlern, die musizieren, singen, tanzen …« Eve Grünupp hat den Eindruck, dass der Reutlinger Innenstadt »Freude und Fröhlichkeit« abhandengekommen sind. Und: »Günstigere Mieten für neue Geschäfte« wären ihrer Einschätzung nach »ein Ansporn«.

»Interessant wäre auch ein Kombi-Konzept mit entweder Busfahrt oder für Autofahrer günstig parken, Einkaufsmöglichkeiten/Gutscheine in Verbindung mit Café-/Restaurantbesuch.« Wiewohl generell zu beachten sei, dass viele »viele Kundinnen und Kunden bereits älter sind und trotzdem gerne mit ihrem Auto fahren. Diese Generation braucht Zeit, um in Ruhe die Innenstadt genießen zu können. Jedoch: Das aktuelle Konzept ist teuer und stressig, die Kunden überlegen sich zweimal, ob sie sich die Fahrt nach Reutlingen antun!«

Ist die Innenstadt belebt, wirkt sie gleich viel einladender.
Ist die Innenstadt belebt, wirkt sie gleich viel einladender. Foto: Frank Pieth
Ist die Innenstadt belebt, wirkt sie gleich viel einladender.
Foto: Frank Pieth

Volker Schmid, Reutlingen: Missbehagen, besonders nachts

»Da auch unsere Immobilie in der Innenstadt zunehmend an Wert verliert, machen wir uns große Sorgen«, lässt Volker Schmid wissen und räumt ein, die Geschäftswelt in der City eher selten zu beehren. »Höchsten den Wochenmarkt«, so der Reutlinger, »besuchen wir regelmäßig«. Derweil er die Einkaufsstraßen eher meidet – »wegen der sich dort aufhaltenden Menschen. Wir fühlen uns in dieser Gesellschaft einfach nicht mehr wohl, schon gar nicht nachts«.

Sein Wunsch: »Die Stadtverwaltung sollte neben der Belebung der Innenstadtläden mit gleicher Priorität dafür sorgen, dass 'unerwünschte' Individuen aus der Innenstadt verschwinden – und nein, wir sind keine Ausländerhasser oder Rassisten.«

Marian Dabek, Reutlingen: Mehr Betonplatte als Park

»Senken Sie die Mieten, renovieren sie die Häuser, fragen sie sich, ob es zwölf Barber-Shops und acht Handyläden braucht«, ruft Marian Dabek den Immobilienbesitzern in der Altstadt zu. »Seit Kaufhof und bald auch Breuninger keinen Anlass mehr geben, die Stadt zu betreten« habe sich der Abwärtstrend fortgesetzt. »Im Sommer«, moniert Dabek, »glüht der Asphalt. Es fehlt an Aufenthaltsoasen – auch im Winter.« Und der Bürgerpark, sei kein Park, sondern »definitiv eine im Sommer unerträgliche Betonplatte!« Für Dabeks Geschmack werde in der City zu hoch gebaut: »erst das Stuttgarter Tor, dann das Landratamt – keine schönen Perspektiven. Ich würde mir wünschen, nicht immer nach Tübingen fahren zu müssen, um zu shoppen und entspannen zu können.« Erstrebenswert außerdem: eine zentral gelegene Tagespflege. Dank ihrer hätten Senioren »etwas zu sehen und könnten am Leben teilnehmen«.

Cornelia Weiß, Altenriet: Reutlingen statt Tübingen

Cornelia Weiß wollte unlängst in Tübingen shoppen gehen. Doch daraus wurde nichts. »Als ich am Parkautomaten die Preise sah, bin ich in mein Auto gestiegen und nach Reutlingen gefahren. Dort gibt es die gleichen Läden die ich unter anderem in Tübingen aufsuchen wollte« – WMF und Vom Fass. Erschrocken sei sie über die vielen Ladenleerstände in Reutlingens Fußgängerzone. »Wenn auch hier die Parkgebühren steigen, werde ich mehr auf online umsteigen!« (GEA)