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Reutlinger Dönerbude als Kommandozentrale der Polizei: Besitzer blickt zurück

Bei der Reichsbürger-Razzia in Reutlingen am 22. März 2023 wurde aus einer Dönerbude für einen Tag die Kommandozentrale der Polizei. Bis der Ausnahmezustand im »Ringelbach Kebap« vorbei war, hat es allerdings noch länger gedauert.

Der »Ringelbach Kebab« in Reutlingen wurde bei der Reichsbürger-Razzia von der Polizei und dem SEK als Kommandozentrale genutzt.
Der »Ringelbach Kebab« in Reutlingen wurde bei der Reichsbürger-Razzia von der Polizei und dem SEK als Kommandozentrale genutzt. Besitzer Serif Ucar versorgte die Einsatzkräfte mit Getränken. Foto: Denis Raiser
Der »Ringelbach Kebab« in Reutlingen wurde bei der Reichsbürger-Razzia von der Polizei und dem SEK als Kommandozentrale genutzt. Besitzer Serif Ucar versorgte die Einsatzkräfte mit Getränken.
Foto: Denis Raiser

REUTLINGEN. Vergessen wird Serif Ucar diesen Tag nie. Während am 22. März 2023 eine Reichsbürger-Razzia in der Reutlinger Ringelbachstraße im Gange war, stellte er der Polizei seinen Kebab-Imbiss als Kommandozentrale zur Verfügung. Reichsbürger Markus L. hatte am frühen Morgen einen Polizisten niedergeschossen. Der Täter war Kunde in Ucars Imbiss, ging bei ihm regelmäßig ein und aus. Diese Tatsache habe ihn schockiert, sagte der 33-Jährige damals. Ein Jahr später blickt er auf die Geschehnisse zurück.

»Etwa zwei Wochen lang hat es gedauert, bis wieder Normalität eingekehrt ist«

»Etwa zwei Wochen lang hat es gedauert, bis wieder Normalität eingekehrt ist«, sagt Serif Ucar. Zuvor hatte Ausnahmezustand im »Ringelbach Kebap« geherrscht. »Natürlich haben mich sehr viele Kunden gefragt, was passiert ist.« Sein Imbiss war schließlich bundesweit in diversen Medien präsent. Auf Bildern und in Fernsehbeiträgen war zu sehen, wie etliche Polizisten vor seiner Eingangstüre beschäftigt waren. »Ich habe danach schon immer wieder dran gedacht, aber schlaflose Nächte hat mir das Ganze nicht bereitet«, sagt der 33-Jährige.

Vor seinem Imbiss bauten die Beamten des Spezialeinsatzkommandos (SEK) und der Spurensicherung damals allerlei Gerätschaften auf und steuerten von dort aus sogar einen Sprengstoff-Roboter. Den ganzen Tag lang versorgte er die Einsatzkräfte mit Getränken, Kaffee und Tee und ließ sie in seinem Laden auf die Toilette gehen. »Zwei bis drei Tage« später sei noch einmal ein Zivilfahrzeug der Polizei vor seinem Imbiss vorgefahren, so Ucar. »Es kamen zwei SEK-Beamte aus Göppingen rein und haben sich in aller Form nochmals bei mir bedankt.«

»Für mich ist das als Akt der Zivilcourage selbstverständlich gewesen«

Das SEK und die Spurensicherung waren dann noch fast eine ganze Woche im Nachbarhaus zugange, sagt Ucar, und ergänzt: »Jeden Tag ist jemand von ihnen bei mir zum Essen vorbeigekommen.« Von dieser ungewöhnlichen Kundschaft in Uniform waren seine Stammkunden etwas »überrascht«, erzählt der Pfullinger lachend, »aber die Polizisten waren alle supernett.«

Die Beamten selbst seien auch verwundert gewesen. Und zwar davon, dass er seinen Laden als Kommandozentrale zur Verfügung gestellt hatte. »Für mich ist das als Akt der Zivilcourage aber selbstverständlich gewesen«, stellt Serif Ucar klar, »ich wollte einfach nur helfen«. Er würde wieder so handeln. Auch wenn er natürlich hofft, dass sich diese Geschichte nicht wiederholt. (GEA)