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Aktuell Gedenken

In Pfullingen gab's ein Glas Apfelsaft auf die Reaktorabschaltung

Arbeitskreis »Unser Leben« erinnerte im Pfullinger Schlösslespark an die Atomkatastrophe von Tschernobyl.

Feier in Pfullingen zur Abschaltung der deutschen Atomkraftreaktoren.  FOTO: BARAL
Feier in Pfullingen zur Abschaltung der deutschen Atomkraftreaktoren. Foto: Thomas Baral
Feier in Pfullingen zur Abschaltung der deutschen Atomkraftreaktoren.
Foto: Thomas Baral

PFULLINGEN. Die Trauerbirke im Schlösslespark, einst gepflanzt zum Gedenken an die Reaktor-Katastrophe in Tschernobyl, ist inzwischen stattlich herangewachsen. Aber es gebe eigentlich wenig zu berichten, was Hoffnung mache, betonte Eberhard Gröner, Dekan im Ruhestand, in seiner kleinen Predigt dort am Mittwochabend. Immerhin auf das Ende der Atomkraftproduktion in Deutschland könne man nun anstoßen: »Seit zehn Tagen wird kein Atomstrom mehr produziert im Land.«

Das Abschalten der deutschen Atomkraftwerke feierten die 25 Teilnehmer des Gedenktermins bei einem Glas heimischem Streuobstwiesen-Bioapfelsaft. Seit über 35 Jahren treffen sich hier die Mitglieder des Arbeitskreises »Unser Leben« des CVJM Pfullingen am Jahrestag der Reaktor-Katastrophe von Tschernobyl.

Auch an Fukushima gedacht

Erinnert wurde wieder an diese erste große Katastrophe dieser Technologie auf europäischem Boden und an die heute noch von der Reaktor-Ruine ausgehende Gefahr in der Ukraine, die besonders durch den dortigen Krieg wieder ins Bewusstsein gekommen ist.

Aber auch der Havarie der Atomreaktoren im japanischen Fukushima vor zwölf Jahren wurde gedacht und berichtet, was dort derzeit geschieht. Trotz der Versuche der Regierung, sie wieder zur Rückkehr in die Heimatorte zu bewegen, hätten die Menschen Angst vor Erkrankungen und blieben fern. Und dass nun verstrahlte Kühlwasser, das sich im Lauf der Jahre angesammelt hat, mittels eines Tunnels ins offene Meer geleitet werden soll, entwickle sich für Japaner und angrenzende Staaten zur nächsten Katastrophe: Vor allem Fischer fürchteten um ihre Gesundheit, die Umwelt und ihren Beruf.

Eingegangen wurde auch auf die aktuelle Energiedebatte und den Klimawandel. Da nun das nächstliegende Ziel des Arbeitskreises, das Ende der Atomkraft in Deutschland, erreicht ist, wird sich die Frage stellen, ob diese Gedenkveranstaltung weitergeführt wird. Allerdings, so Gerhard Wolf, angesichts der Diskussion im eigenen Land in den vergangenen Wochen, der Entwicklung in den Nachbarländern Frankreich – der größte Atomnutzer außerhalb der USA – und in Polen, das derzeit plane, gleich mit sechs Atomkraftwerken in die Stromproduktion einzusteigen, wird der Diskussions-Stoff nicht ausgehen.

Ungeklärte Endlager-Frage

Weltweit gebe es derzeit 422 solche Anlagen, schilderte Wolf – und es sei immer noch überhaupt nicht klar, wo der dabei entstehende Atommüll gelagert werden soll. Auch in Deutschland fielen weiterhin – durch den Rückbau der abgeschalteten Anlagen – etwa hunderttausend Tonnen radioaktiven Mülls an. Und der müsse über viele 1 000 Jahre sicher verwahrt werden.

Diese Aufgabe, so hatte es Gröner in seiner Predigt betont, müsse sehr skeptisch gesehen werden: »Ob die Menschheit diese Verantwortung überhaupt tragen kann?« Er jedenfalls fürchte schon bald unabsehbare soziale Verwerfungen in Deutschland bei der Festlegung eines Endlager-Standorts. (tb)